Wenn da einer ist, der den Startschuss abfeuert, dann gibt es etliche, die sich seinem Rennen anschließen – das war schon immer so. Dieser eine, der oft ein bisschen mehr Energie, Optimus und manchmal auch finanzielle Mittel besitzt als die anderen, trägt unterschiedliche Namen – er kann „Macher“ heißen, „Vorreiter“, „Bahnbrecher“, „Wegbereiter“ oder auch einfach Max Heydweiller. Er nämlich ist dafür verantwortlich, dass heute rund um die Bismarckstraße und die Hohenzollernstraße eines der schönsten Wohngebiete der Seidenstadt liegt. Für unsere kredo-Reihe rund um Krefelder Straßennamen hilft uns in diesem Beitrag Götz Waninger als langjähriges Mitglied der Bürgergemeinschaft Bismarckviertel dabei, die Geschichte Max Heydweillers nachzuvollziehen.
Es war vor mehr als 150 Jahren, als der Krefelder Osten, jenseits der Schwelle zur Niederterrasse und östlich der heutigen Philadelphiastraße, als unbebaubar galt. Die Krefelder nannten den Teil der Seidenstadt lange Zeit „Schwarzes Meer“, denn hier lag ein Sumpfgebiet, in das die Krefelder Abwässer flossen, und das grenzte direkt an das Jagdgebiet der von der Leyens.
„Krefeld hatte bisher keinen Anschluss an den Rhein, und als großer Textilstandort war das ein Problem“, erzählt Götz Waninger. War der Uerdinger Hafen noch nicht gebaut, überlegten die Akteure immer wieder, im Sumpfgebiet eine Wasserstraße anzulegen, die Seehändlern den Zugang zum Stadtgebiet ermöglichen sollte.
Wilhelm Jentges, ein wohlhabender Fabrikant, aber durchkreuzte die Pläne. Er entschied sich, das Gebiet, auf dem außerdem rund fünf große Bauernhöfe standen, zu kaufen. Da Jentges damals schon recht alt war, bezog er von Anfang an seinen Schwiegersohn Max Heydweiller, den Mann seiner Tochter Lilly, in die Planung des neuerworbenen „Jentges´schen Grundbesitzes“ mit ein. Heydweiller führte die Erschließung des Geländes maßgeblich an und beschloss, aus der eigenen Tasche den Bau zweier Straßen zu finanzieren. Obschon die Promenadenidee und der symmetrisch gestaltete Platz aus seiner Feder stammten, entschied der Stadtrat am 23. Mai 1889, die erste Straße nach dem damals noch lebenden, aber bereits entlassenen, Reichskanzler Otto von Bismarck zu benennen. Rund zwei Jahre später wurde sie „Hohenzollernstraße“ getauft.
Max Heydweiller versuchte währenddessen, die Grundstücke Zug um Zug an den Mann bzw. die Frau zu bringen, und 1891 wurden die beiden ersten Häuser im neuen Wohnviertel fertiggestellt: Das Landratsamt, Nummer 32, und das Wohnhaus des Bauunternehmers Heinrich Bruns, Nummer 45. Während zu Beginn des 19. Jahrhundert der Bau noch gut voranschritt und viele Wohlhabende aus der Textilbranche, der Industrie oder auch der Medizin ins Viertel zogen, brach der Verkauf des Jentges´schen Grundbesitzes mit den Vorboten der Weltwirtschaftskrise ein. Während Max Heydweiller die Reißleine zog und mit seiner Familie in die prächtige „Villa del sogno“ an den Gardasee floh, galt die erste große Bauphase im Bismarckviertel als beendet. „Den Jentges´schen Grundbesitz zu veräußern, beschäftigte und ernährte die Erbengemeinschaft über viele Jahrzehnte“, weiß Götz Waninger. Erst vor etwa zehn Jahren stellten die Erben von Max Heydweiller fest, dass immer noch zwei Grundstücke als unverkauft galten, nämlich eine kleine rund 20 Quadratmeter große Fläche an der Hohenzollernstraße rund um den Kinderbrunnen und ein nur rund ein Quadratmeter großes Geländestück zwischen zwei Wohnhäusern.
Die Erben entschieden sich, diese Grundstücke an die Bürgergemeinschaft zu übertragen. „Seitdem sind wir Landbesitzer“, schildert der Soziologe lachend. „Natürlich geht es hier nicht um den Landbesitz, aber es macht uns zu einer Art Wächter des Viertels.“ Dem Besitzer dieser beiden letzten Grundstücke des Jentges´schen Grundbesitzes obliegt die Aufgabe und das Recht, darüber zu wachen, dass der Charakter dieses besonderen Viertels erhalten bleibt. Damit übernimmt die Bürgergemeinschaft eine traditionsreiche Aufgabe, denn schon aus einem Kaufvertrag aus dem Jahre 1928 zwischen dem Jentges’schen Grundbesitz und einem Käufer geht hervor: „Die Errichtung gewerblicher Anlagen jeder Art auf dem Kaufgrundstück, insbesondere solcher mit Dampf- und Motorbetrieb, ist verboten.“ „Für Max Heydweiller spielte der Charakter des Viertels schon früher eine große Rolle. Wenn ein Grundstücksbesitzer heute Veränderungen an seinem Haus durchführen möchte, muss er uns theoretisch fragen“, erklärt Waninger weiter. Nur selten sei das aber wirklich notwendig, denn die Eigentümergemeinschaft im Bismarckviertel ist seit vielen Jahren eingeschworen, und die Verkäufe der letzten Jahre lassen sich an wenigen Fingern abzählen.
Auch Götz Waninger lebt gemeinsam mit seiner Ehefrau schon seit vielen Jahren an der Bismarckstraße. Als Carla Kaiser um die Jahrtausendwende die Bürgergemeinschaft neu gründete, trat Waninger zügig bei. Er initiierte innerhalb des Vereins eine Geschichtsgruppe, die begann, systematisch die Historik des Viertels aufzuarbeiten und zusammenzufügen. „Viele Stunden verbrachten wir im Stadtarchiv“, erinnert sich der Rentner lächelnd. „Es gab diverse Fragmente von Informationen, niemand hatte diese aber geordnet oder in einen Zusammenhang gebracht.“ All das, was Waninger heute bei seinen regelmäßigen Führungen für die Volkshochschule durch das Viertel erzählt, ist durch das Ehrenamt diverser engagierter Bürger zusammengetragen worden. So hat nicht nur Max Heydweiller den Titel „Wegbereiter“ verdient, sondern genauso sind die letzten Hüter seines Schatzes, Götz Waninger und seine Vereinskollegen von der Bürgergemeinschaft Bismarckviertel, echte Macher.
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