Wer vom Nassauerring Richtung Hüls in die Kliedbruchstraße einbiegt, fährt gleich zweimal ganz kurz an ihm vorbei. Denn der Oelhausenweg verläuft wie ein kleiner Bogen einmal von der Kliedbruchstraße weg und trifft sie dann nur wenige Meter später mit dem Ende des Weges direkt noch einmal. Hinter dem unscheinbaren Weg aber verbirgt sich eine wichtige Persönlichkeit, denn die im Jahre 1973 gebaute Straße ist nach dem Krefelder Mundartdichter und Hausweber Heinrich Oelhausen benannt. In unserer monatlichen Reihe über Straßennamen nehmen wir gemeinsam mit dem Haus der Seidenkultur den 1853 geborenen Krefelder genauer in den Blick.
Den Kettbaum auf der Schulter, den Sack mit den übrigen Garnrollen in der Hand und zum Festtag den Gehrock aus schwarzem Tuch und die hochgeschlossene Weste angezogen. Wie Meister Ponzelar, den wir als Statue auf dem Südwall kennen, muss auch Heinrich Oelhausen als Hausweber von seinem Schaffensraum an der Königstraße zu seinem Auftraggeber, den Vereinigten Seidenwebereien (VerSeidAg), gezogen sein. Oelhausen, so erzählt es das Schildbürger-Buch der Stadt Krefeld, war einer der letzten Heimweber Krefelds. Bis rund um den Jahrhundertwechsel, als die Umstellung zu mechanischen Webstühlen in den Manufakturen fast abgeschlossen war, unterstützten die Männer die Textilienherstellung in der Samt- und Seidenstadt.
„Die typischen Heimweberhäuser erkannte man damals an den zwei Fenstern in der ersten Etage“, erklärt Dieter Brenner als Pressesprecher des Hauses der Seidenkultur. „Die Anzahl der Fenster symbolisierte in Krefeld Reichtum.“ Denn die Eigentümer mussten für die Länge des Hauses, die parallel zur Straße lag, Steuern bezahlen. Hatte ein Haus vier oder mehr Fenster, war das Gebäude bereits staatlich. Der aus Italien zugewanderte Seidenfabrikant Casaretto ließ als Symbol seines Reichtums zum Beispiel ein Zehn-Fenster-Haus am Südwall 80 errichten. Zur damaligen Zeit war das ein bedeutendes Statement. Heimweberhäuser dagegen hatten genauso viele Fenster, dass sie groß genug waren, um im Erdgeschoss die Fläche eines Webstuhles fassen zu können. Das älteste Krefelder Heimweberhäuschen ist noch heute in Inrath hinter der Pauluskirche zu sehen.
Auch Heinrich Oelhausen wohnte und arbeitete also in so einem typischen Haus an der Königstraße. Während das Privatleben in der obersten Etage stattfand, nutzte der Heimweber alle Lichtstunden des Tages, um vor den großen Fenstern im Erdgeschoss zu weben. „Rund zehn bis zwölf Stunden täglich arbeiteten die Weber an ihren Aufträgen“, erklärt Brenner und schmunzelt. „Die Schützlinge der Familie unterstützten sie meistens – kennen Sie das Lied der Spulaner?“ Spulaner wurden die Kinder der Hausweber genannt, die an den Spulrädern das Garn für die Kettspulen vorbereiteten. Spulräder sehen ähnlich aus wie Spinnräder und sind noch heute im Haus der Seidenkultur zu sehen – ebenso wie die Muster, die Oelhausen als Hausweber am Schaftwebstuhl gewebt haben muss. Anders als an den mechanischen Jacquardwebstühlen, die komplexe Stoffe für zum Beispiel Priestergewänder durch das Einsetzen von Lochkarten herstellen konnten, waren die Möglichkeiten an den Schaftwebstühlen begrenzt. Denn die Technik war nicht in der Lage, jeden einzelnen Kettfaden anzuheben. Das ist auch ein Grund dafür, dass die Hausweber durch die Industrialisierung von den Webern an den mechanischen Webstühlen ersetzt wurden. Bis ungefähr zum Jahrhundertwechsel stellte Oelhausen an der Königstraße mit Schafthebel, Kettbaum, Warenbaum, Schäften, dem Webblatt und den Kettfäden Gewebe in zum Beispiel der Querrips- oder der Panama-Bindung her.
Wenn sich die Sonne langsam vom Himmel verzog und durch die beiden Fenster im Erdgeschoss nicht mehr genug Licht strahlte, verließ Oelhausen den Webstuhl und widmete sich seiner zweiten Leidenschaft: Dem Dichten in Mundart. Oelhausen schrieb empfindsam und schlicht über den Alltag, über seine Familie und die Umwelt. Im Krefelder Schildbürger-Buch steht über seine Gedichte geschrieben: „Er brachte die Mundart aus der Verflachung und dem lauten rauen Ton der Straße zu neuen Ehren.“ Oelhausen wird auch als Altmeister der Krefelder Mundartlyrik betitelt. Es wundert nicht, dass er, wie im seinem Gedicht „Spouljong“, auch immer wieder den Alltag als Heimweber beschrieb.
Spouljong
von Heinrich Oelhausen
Jöngke maak die Lääge voll,
Sorg für´t Spoulebrett.
Morje früsch öm desen Tiod,
Dann es av die Kett.
Schippe-Schapp, dat Täuke geet,
Spoulerädsche löppt.
En die Weig dat kleene Kenk
Wie ´nen Engel schlöppt.
Oemmer monter schütt dä Baas,
Kikt neit op noch nihr.
Jönke, Jönke, op dat Brät
Sind kinn Spoule mihr
On dä kleene Härr Spoulan
hätt noch neit gedoun.
Moit so geer wie Jann on Griet
Buute speele goun.
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