Während Holger als Jugendlichen die Kunst beschäftigt, verfällt Christopher schon früh der Mode. Gemeinsam haben die jungen Männer vor wenigen Jahren die Streetwear-Marke deadstuff gegründet.

Die Rollen knirschen laut auf dem Asphalt. Immer mal wieder scheppert Holz auf Beton, wenn ein Kickflip schiefgegangen ist, und die bunten Decks der Skateboards blitzen kurz auf, bevor sie gen Boden abstürzen. Am Rand der kleinen Halfpipe hat sich eine Gruppe Jugendlicher versammelt: Weite Baggy-Pants und Oversize-Shirts fallen von ihren Körpern, die noch darauf warten, in die Höhe zu schießen. Ihre Füße bewegen sich in bunten Sneakers mit auffälligen Schriftzügen, und vereinzelt lugen Baseball-Caps mit Logos bekannter amerikanischer Sport-Teams zwischen den Köpfen hervor.

Christopher Blumenthal

In den 90er Jahren ist das die Welt des Krefelders Christopher Blumenthal und des Anrathers Holger Lamers. Dass die Einflüsse ihrer Jugend später ihren beruflichen Weg maßgeblich prägen werden, wissen die beiden Heranwachsenden damals noch nicht. Heute ist der 35-jährige Christopher hauptberuflicher Blogger und Werbepartner unterschiedlichster internationaler Brands. Und Kommunikationsdesigner Holger stellt mit einem eigenen Textildruckstudio in Krefeld Merchandise für Größen aus der Hip-Hop-Szene her. Gemeinsam haben sie vor drei Jahren das Streetwear-Label „Dead Stuff“ gegründet. Wenn wir über die Modeszene in Krefeld sprechen, sind Christopher und Holger wichtige Protagonisten.

Holgers Weg zum Streetstyle beginnt mit seinem steigenden Interesse für die Hip-Hop-Szene. Während in den USA die Subkultur aus der Bronx schon fast 25-jähriges Jubiläum feiert, schwappt Anfang der 90er eine Welle nach Deutschland herüber, die die Jugend verändert. „Beim Hip-Hop geht es um viel mehr als nur um die Musik“, erklärt der Designer. „Es ist eine gesamte Straßenkultur, zu der Mode, Graffiti und auch Sprache dazugehören.“ Holger packt vor allem die Kunst. Im Ruhrgebiet lernt er Szenesprayer kennen, taggt selbst erste Wände und wird anschließend sogar dafür bezahlt. „Ich habe damals häufig für die Stadt Willich gearbeitet und zum Beispiel Skateplätze bemalt oder bei der ,Wall Of Art‘ an der Anrather Knastmauer mitgearbeitet“, erzählt der 37-Jährige. „Und dann dachte ich, das könnte doch auch auf Shirts gut aussehen.“ Einige wenige Exemplare lässt er im Copyshop bedrucken und verkauft sie zügig.

Die schlechte Qualität aber ärgert ihn zunehmend. „Ein Kumpel schlug vor, dass wir das einfach selbst machen könnten“, erinnert er sich. Mit einer selbstgebastelten Maschine aus einem umfunktionierten Rohr und ein paar Klemmen entsteht der Startschuss zu „Illhill“ und „Shirtfab“, dem heutigen täglichen Brot des Designers.

Holger Lamers

Während Holger als Jugendlicher die Kunst beschäftigt, verfällt Christopher schon früh der Mode. Gefällt dem jungen Mann ein Trend, probiert er ihn aus und kombiniert ihn mit seinem eigenen Stil. „T.C. auf dem Südwall, später Pharmacy, veränderte mein Leben“, sagt er lachend. Hier stöbert er sich durch die Regale und beginnt mit 16 Jahren, im Laden zu arbeiten. „Ich hatte dadurch natürlich auch Zugriff auf die neusten Klamotten und, wie das dann so ist, gibt man sein erstes Geld auch direkt wieder im Laden aus“, beschreibt er. Im Jahr 2010 beginnt der Krefelder, Sneaker zu sammeln und eignet sich immer mehr Fachwissen an. Drei Jahre später entschließt er sich, auf einem Blog auch anderen davon zu erzählen. „Und dann geschah etwas Unglaubliches“, schildert er. „Schon wenige Monate später fragte mich Adidas an. Ich begann, mit den großen Marken zusammenzuarbeiten.“ Christopher steht dabei auf zwei Beinen: Tagsüber ist er als Groß- und Außenhandels-kaufmann in einer Besteck- und Metallfirma angestellt, den späten Nachmittag und den Abend verbringt er im Netz. „Meine klassische Tätigkeit habe ich nach und nach heruntergefahren und 2016 endgültig gekündigt“, erklärt der 35-Jährige. Die Kooperationen mit den großen Marken verändern langsam auch die Schlagseite des Blogs: Stehen Sneaker zwar weiterhin im Mittelpunkt, liefern die Brands zunehmend auch Kleidungsstücke mit. Während er diese online präsentiert, wächst in ihm die Sehnsucht, Mode zu entwerfen, die nach allen Wünschen ihm selbst entspricht. „Wenn du dich jeden Tag mit Mode auseinandersetzt, dann entwickelst du ja auch ein Gefühl dafür, was gut zusammenpassen könnte“, erklärt er. Und da kommt Holger ins Spiel.

„Tja, woher wir uns kennen, wissen wir selbst nicht so genau“, sagt der Designer lachend. „In erster Linie wohl vom Skateplatz, dann besoffen von irgendwelchen Partys und eben aus der Szene.“ Aber die Kombination ist stimmig. Nach etlichen Überlegungen, aber dann doch recht kurzfristig, bringen Christopher und Holger 2017 unter dem Label „Dead Stuff“ ihre erste eigene Kollektion heraus. Ob in Form von Hoodies, Caps, Bags, Trikots mit Shorts oder oversized Shirts – Dead Stuff vereint klassische Streetwear-Kleidung mit individuellen Designs. Nicht nur jedes Motiv ist durch die Jungs angefertigt, sondern auch die Schnitte sind extra für das Label hergestellt worden. Das Konzept schlägt ein. „Als ich zum ersten Mal jemanden mit unseren Klamotten auf der Straße sah, war das schon krass“, erzählt Holger. „Ich war mega stolz.“ Holger und Christopher schaffen dabei die perfekte Symbiose: Der Blogger macht durch seine Prominenz und sein Marketinggeschick die Designs bekannt, und Holger zieht im Hintergrund als Künstler und Designer sowie als Profi an den Maschinen die Fäden.

„Die Arbeitsabläufe sind eigentlich so, dass ich Holger täglich auf allen Kanälen mit neuen Ideen bombardiere“, erzählt der Charakterkopf laut lachend. „Seine Rolle ist dann, meine Ideen in fertige Designs umzuwandeln.“ So entstehen zusammenhängende Kollektionen, aber auch einzelne Drops. „Wir haben uns zum Beispiel vor einigen Wochen über die Verschwörungstheoretiker lustig gemacht und dachten, dass man das doch cool auf einem Shirt oder Shorts thematisieren könnte“, erinnert sich Holger. Kurze Zeit später erscheint eine Shorts mit einem Alienkopf und ein Shirt mit einem verschwörerischen Auge, einem landenden UFO und den Lettern „Believe Us“. Oft gibt es die Designs nur in begrenzter Stückzahl, und sie sind innerhalb weniger Tage ausverkauft. „Das schafft natürlich auch Anreiz für Leute, die die Arbeit von Dead Stuff verfolgen“, erklärt Christopher mit einem bübischen Lächeln. Und Holger ergänzt: „Wir sind uns schon darüber bewusst, dass das eine Ehre ist, als kleines Label damit Geld zu verdienen. Christopher und ich haben uns quasi gesucht und gefunden.“

Vor 20 Jahren, mit dem Skateboard in der Hand, den viel zu großen Hosen am Leib und den damaligen Szene-Sneakern an den Füßen hätte das wohl niemand erwartet.

Dead Stuff im Web: www.deadstuff.de oder bei
Instagram unter „Dead Stuff“.

Über den/die Autor/in: Ann-Katrin Roscheck

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Tags: , , , , 0 Kommentare on Dead Stuff – Eine perfekte SymbioseVeröffentlicht am: 14. Oktober 2020Zuletzt bearbeitet: 16. Februar 20231082 WörterGesamte Aufrufe: 526Tägliche Aufrufe: 35,6 Minuten Lesezeit

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