Theater, ist das nicht etwas für grauhaarige Abonnenten, die sich steif gekleidet verstaubte Klassiker ansehen oder die immergleichen Opernarien anhören wollen? Wie viele Kinder und Jugendliche finden in die heiligen Hallen der alten Kulturtempel, wenn sie nicht von ihrer Deutschlehrerin dorthin genötigt werden? Ja, es stimmt, die Zahl der jungen Theaterbesucherinnen und -besucher hat in den letzten Jahren abgenommen. Aber es stimmt nicht, dass junge Leute keine Lust mehr auf Theater haben. Sogar Schiller, Goethe und Co. finden ihr junges Publikum, wenn deren Geschichten gut erzählt werden. „Themen wie Liebe, Hass und Krieg sind zeitlos“, stellt Theaterleiterin Isolde Wabra fest. „Es geht daher nicht darum, Bühnenklassiker weichzuspülen und irgendwie an die neue Zeit anzupassen. Jugendliche können sehr gut mit Originalsprache umgehen. Sie wollen vor allem ernst genommen und auf Augenhöhe an der Kultur beteiligt werden!“
Spielerischer Umgang mit der Wirklichkeit
Die jungen Menschen ernst zu nehmen, war auch ein wichtiger Grundsatz von Inge Brand, der Gründerin des KRESCHtheaters. Als Schauspielerin stand sie ab Mitte der 60er Jahre auf der Krefelder Theaterbühne, ließ sich zur Theaterpädagogin ausbilden und absolvierte ein Lehramtsstudium. Als Lehrerin des Maria-Sybilla-Merian-Gymnasiums gründete sie mit anderen den „Verein Krefelder Schul- und Jugendtheaterzentrum“, kurz KRESCH. Daraus entwickelte sich später das Krefelder Schauspiel für Kinder und Jugendliche. Ab 1988 zog die Theaterproduktion in die ehemalige Tapetenfabrik Heeder nahe des Krefelder Hauptbahnhofs, wo das Theater noch heute beheimatet ist. Zusammen mit ihrem sehr engagierten Team leitete Brand das KRESCH, bis sie 2005 in den Ruhestand ging. Geblieben ist ihre Philosophie, die noch heute Grundlage für die Arbeit der Einrichtung ist. „Kinder und Jugendliche brauchen ein Theater, das Fantasie und Verstand provoziert, das Probleme, Träume, Ängste darstellt. Ein Theater der Freundlichkeit und des Vergnügens, der Aufmüpfigkeit und des Zorns; ein Theater, das Toleranz vorführen kann und Neugierde auf das Leben weckt. Ein Theater, das Anstoß zu einem spielerischen Umgang mit der Wirklichkeit gibt“, so beschrieb Inge Brand im Jahr 2000 die Schwerpunkte ihrer Arbeit.
Eine wichtige Institution des Krefelder Kulturlebens
Schon bald nach seinem Einzug in die außergewöhnlichen Räume der früheren Tapetenfabrik entwickelte sich das Kinder- und Jugendtheater zu einer wichtigen Institution des Krefelder Kulturlebens und wurde bereits 1991 zur kommunalen Einrichtung. In der Folgezeit nahm das Theater an regionalen und nationalen Festivals teil. Nach Inge Brands Abgang übernahm Michael Jezierny, im Team mit Franz Mestre und Helmut Wenderoth, die Theaterleitung. Seit Mai 2019 wird das Haus von der Österreicherin Isolde Wabra geführt. Die gelernte Schauspielerin arbeitete unter anderem in Karlsruhe, Berlin und Halle, wo sie zum ersten Mal selbst Regie führte. Vor ihrem Wechsel nach Krefeld war sie Erste Spielleiterin für die Sparte Schauspiel bei der Theater und Orchester GmbH Neubrandenburg/Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern. „Schon bei meinem Vorstellungsgespräch für die Intendanz am KRESCH war ich davon begeistert, wie sehr sich die Kommission und auch der Oberbürgermeister für Kultur interessieren und engagieren“, erinnert sie sich.
Das Theater in die Schulen bringen
Aktiv auf die Menschen zuzugehen ist von Anfang an eine wichtige Aufgabe des Krefelder Kinder- und Jugendtheaters. Zusammen mit professionellen Gastschauspielerinnen und -schauspielern erarbeitet man daher Inszenierungen, die auch von Schulen gebucht werden. Gestaffelt nach Altersgruppen, bietet das Theater verschiedene AGs, die von erfahrenen Regisseuren oder Theaterpädagoginnen geleitet werden. In normalen Zeiten treffen sich die bühnenbegeisterten Jugendlichen über mehrere Monate einmal wöchentlich, um zusammen ein Stück einzustudieren. Wie vieles andere sind auch diese Aktivitäten durch die Pandemie gestoppt. Derzeit darf nur mit den professionellen Schauspielern geprobt werden. Aus dem großen Repertoire sind einige Inszenierungen speziell für mobile Aufführungen angepasst worden, um sobald möglich wieder ein kulturelles Angebot zu haben. Klassiker wie „Karius und Baktus“ oder „Nathans Kinder“ oder Neuinszenierungen wie „Historische Frauen – Spurensuche“, bei der neun historische weibliche Persönlichkeiten auf die Bühne gebracht werden, kommen dann in die Schule.
Kultur ist ein Lebensmittel!
Ergänzend zu den mobilen Angeboten erarbeitete das KRESCHtheater mit „Coolbeuys – oder wo ist Joseph“, einem Beitrag zum Krefelder Beuys-Jahr, auch ein digitales Format. Nach der Livestream-Premiere wartet das Ensemble nun sehnsüchtig darauf, auch eine „echte“ Theatervorstellung anbieten zu können. „Uns ist natürlich bewusst, dass Sicherheit Vorrang hat. Umso wichtiger ist es, den Kontakt zu unseren Zuschauern zu halten und für die Bedeutung der Kultur in der Öffentlichkeit zu kämpfen“, erklärt die Theaterleiterin. „Denn Kultur ist ein Lebensmittel, das nicht von der Bildfläche verschwinden darf! Bis dahin freuen wir uns über alle, die dem KRESCH auf Instagram und Facebook folgen, denn da sieht man, dass hinter geschlossenen Vorhängen das Herz des Theaters pocht“, beschreibt sie begeistert.
Förderverein sucht Mitstreiter:innen
Dass die Pandemie-Strategie des KRESCHtheaters ein Erfolg ist, zeigt sich schon darin, dass Isolde Wabra mit ihrem Team vom Aktionsbündnis Darstellende Künste im Dezember 2020 den Preis der „Bühnenheldin“ verliehen bekam. Trotzdem ist die Krise für das KRESCH noch lange nicht überstanden. Damit es auch zukünftig in Krefeld Theater für Kinder und Jugendliche gibt, ist es jetzt wichtiger denn je, Menschen zu finden, die sich als Freunde und Förderer engagieren möchten. Dieser Aufgabe hat sich der „KRESCHtheater Förderverein“ unter dem Vorsitz des ehemaligen Krefelder Bundestagsabgeordneten Bernd Scheelen verschrieben. Mitgliedsanträge und Spendeninformationen finden sich unter www.kresch.de/forderverein (mit „o“).
KRESCHtheater
Krefelder Schauspiel für Kinder und Jugendliche
Virchowstraße 130, 47805 Krefeld
www.kresch.de
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