Was man an regnerischen Tagen so alles auf dem Speicher in alten Kartons der vorherigen Generation findet… Erstes Fundstück: ein schwarz-lackiertes Festnetztelefon – mit Schnur. Wollte man früher ungestört telefonieren, wurde einfach das Kabel unter der Tür hindurch in den nächsten Raum gezogen – oftmals das Gäste-WC. Dort war man ungestört und konnte obendrein bequem sitzen. Erstaunt halte ich den bleischweren Telefonhörer ans Ohr und wähle auf der Drehscheibe eine willkürliche Ziffernfolge. Beim automatischen Rücklaufen der Wählscheibe erklingt das altvertraute mechanische Tackern. Ich frage mich: Wie haben sie das nur hinbekommen? Oma und Opa haben sehr häufig und sehr lang telefoniert, hatten aber trotzdem keinen Tennisarm.
Mein nächster Griff in den Karton fördert ein weiteres Schätzchen ans Tageslicht: einen analogen Fotoapparat der Marke Leica. Weiterhin mehrere Alben, überwiegend beklebt mit Schwarz-Weiß-Fotos. Zugegeben: Manche Motive wirken etwas gestellt, fast schon inszeniert. Kein Wunder, hatte man in der Regel grade mal rund 36 Fotos pro Film. Da musste einfach jeder Schuss perfekt sitzen. Hier wurde noch handwerklich fotografiert und nicht „geknipst“. Und Wertschätzung erfuhr jedes Papierfoto, indem es sorgsam ins Album geklebt wurde, um der Nachwelt erhalten zu bleiben. Und heute? Da wird millionenfach fotografiert – pardon – geknipst. Speicherplatz ist schließlich kein Luxus mehr. Aber wer schaut sich diese Schnappschüsse tatsächlich an? Die ohnehin übersättigte Community in irgendeiner der sogenannten sozialen Medien? Für eine sekündliche Aufmerksamkeit? Vielleicht. Wenn überhaupt.
Mein nächster Fund: Tauchsieder und Kaffeefilterhalter aus Porzellan. Beleg dafür, dass Opa in der Lage war, eigenhändig Kaffee aufzubrühen, ohne zuvor den Gegenwert eines gebrauchten Kleinwagens in einen Luxus-Kaffee-Vollautomaten zu investieren.
Während der Zeitreise durch die Generationen erinnere ich mich an weitere Szenen und Sprüche aus der Kindheit wie zum Beispiel: „Wenn du dir die Hände wäschst, vergiss nicht, den Stöpsel ins Becken zu stecken“, „Wenn du das Zimmer verlässt, schalte das Licht aus“, „Bring doch die Kartoffelschalen auf den Kompost“ oder „Hol bitte zum Nachtisch das Einmachglas mit den Mirabellen aus dem Keller oder eins mit der selbstgemachten Erdbeermarmelade“. Auch wenn vieles davon altbacken und fast kleinlich klingen mag, vermittelt es doch einen nachhaltigen Umgang mit unserer Umwelt. Mit Gegenständen wurde pfleglich umgegangen. Für eine lange Lebensdauer. Heute werden wir durch immer kürzere Entwicklungs- und Produktionszyklen permanent mit neuen Angeboten und dringenden Upgrades befeuert.
Der Regen hat nachgelassen, ich steige vom Speicher hinab – mit Opas altem Urlaubsalbum und einem Stapel leicht vergilbter ADAC-Straßenkarten mit handschriftlichen Wegmarkierungen. „Du, Schatz, du kannst deine Internetrecherchen gern einstellen. Wir nehmen das wieder selbst in die Hand. Ohne Premium-Check-in, ohne Navi. Wir fahren entspannt an die Ostsee. Pausenstopps hat Opa auch schon eingezeichnet.“ Nur seine Vespa, die war leider nicht im Karton. Wie schade!
Peter Lengwenings
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