Mit Thomas Hoeps bekommt das Krefelder Literaturhaus einen neuen Leiter, der frischen Wind in die langjährige Institution bringen möchte.

Er hat jahrelang um die Ecke an der Westparkstraße gewohnt. Ende der 90er Jahre hat er das Konzept für das Literaturhaus Krefeld geschrieben. Auch die erfolgreiche Lesereihe „Literarischer Sommer“ hat Thomas Hoeps vor über 20 Jahren für die Mediothek entwickelt und dafür gearbeitet, dass sie grenzüberschreitend zu einem deutsch-niederländischen Programm erweitert wurde. Der 53-Jährige ist der literarischen Szene in und um Krefeld „immer eng verbunden gewesen“, wie er sagt. Da er das Literaturhaus von Anfang an begleitet hat und es nun als Leiter übernimmt, schließt sich für ihn ein Kreis.

Thomas Hoeps kommt mit dem Fahrrad zum idyllisch neben dem alten Wasserturm gelegenen Literaturhaus an der Gutenbergstraße 21. Er hat kein Auto, weil er, wie er sagt, „keins braucht.“ Bei einer Führung durch sein neues Refugium verweilt der promovierte Germanist nur kurz in der eindrucksvollen Bibliothek des Heimatdichters Otto Brües, dessen Familie die Stadt Krefeld die Literaturstiftung und das Haus verdankt. Zu den etwa 15.000 alten Büchern bemerkt er: „Die sind alle ziemlich angestaubt; ich möchte hier ja gerne etwas frische Luft hereinbringen.“

Von hier aus will Thomas Hoeps die Literatur „in die Stadt bringen“

Frische Luft satt gibt es schon beim Interview im behutsam renovierten Backsteinhaus von 1906. Nicht im gediegenen Lesungsraum, vor einer Bücherwand oder sonstigen Insignien der Hochkultur, sondern am Küchentisch. Corona? Masken tragen und Fenster öffnen. Seit langem ein überregional bekannter, bestens vernetzter, viel beschäftigter Kulturmacher, Literaturförderer und erfolgreicher Kriminalschriftsteller, erscheint Thomas Hoeps bescheiden und bodenständig, als er mit leiser Stimme von seiner literarischen Erweckung erzählt: „Die Welt der Bücher habe ich entdeckt, als mein Bruder seine Konzentration trainieren und mir aus ‚Pippi Langstrumpf‘ vorlesen musste. Da war ich fünf oder sechs. Später habe ich mir von meinem Taschengeld in einem Schreibwarenladen in Hüls viele Schneiderbücher gekauft, zum Beispiel ‚Die Jungen von Burg Schreckenstein.‘“

Als junger Mann verschlang Hoeps Autoren wie Heinrich Mann, Joseph Roth oder Kurt Tucholsky, die mit dem deutschen Faschismus abrechneten. Der sonst vor allem als Verfasser von in Koproduktion mit seinem niederländischen Kollegen Jac. Toes geschriebenen Kriminalromanen bekannte Schriftsteller (zuletzt „Die Cannabis-Connection“) hat sich in der Erzählung „Unzählbar all jene, die zurückbleiben mussten“ auch selbst mit dem Thema Judenverfolgung im niederrheinischen Grenzgebiet auseinandergesetzt. Im Literaturhaus Krefeld möchte Hoeps sich irgendwann auch noch einmal mit dem früheren Hausherrn und NSDAP-Mitglied Otto Brües befassen. Doch das ist nicht sein dringendstes Anliegen. Genauso wenig, wie noch mehr Leseförderung für Kinder und Jugendliche zu betreiben. Das sei vor allem der Auftrag der Mediothek, und die mache das sehr gut, findet Thomas Hoeps.

Wozu braucht Krefeld eigentlich ein Literaturhaus?

Diese Frage hält Thomas Hoeps für berechtigt. Er nickt ernst und zählt auf, welche Veranstaltungen im Niederrheinischen Literaturhaus seit der Gründung im Jahr 2012, außer jetzt in Corona-Zeiten, regelmäßig stattfinden: „‚Was macht eigentlich…?‘, da berichten die Preisträger des Niederrheinischen Literaturpreises von ihren Projekten, die rheinische Lyrikreihe „1 Gedicht“, die Kinderlesereihe „Ohren aufgeklappt“, der Leseclub für Jugendliteratur – und die Krefelder Textweber veranstalten hier ihr Forum und ihre ‚offenen Runden‘.“ Thomas Hoeps hält kurz inne, bevor er bestimmt fortfährt: „Es kann nicht darum gehen, einfach weitere Lesereihen mit literarischen Neuerscheinungen zu organisieren.“

Mit Thomas Hoeps bekommt das Krefelder Literaturhaus einen neuen Leiter, der frischen Wind in die langjährige Institution bringen möchte.

Auch ohne Corona-Einschränkungen, darauf weist Thomas Hoeps hin, seien im Literaturhaus selbst nur 30 Plätze vorhanden, und er wünsche sich, dass künftig mehr Menschen angesprochen werden als die üblichen literaturbegeisterten Lesungsbesucher. An diesem Punkt wird Hoeps lebhaft und lauter: „Die Literatur muss stärker ins Alltagsleben der Stadt integriert werden, sie muss in die Stadt gehen. Damit die Menschen feststellen, dass Literatur ihnen etwas über ihr Leben zu sagen hat und dass sie etwas lernen können.“ Das klingt gut. Aber wie könnte das funktionieren? Thomas Hoeps hat viele Ideen. Eine seiner ersten Aufgaben werde sein, die digitale Präsenz des Literaturhauses aufzubauen. Über soziale Medien wie Facebook, Instagram und vielleicht auch Youtube könne man viele Menschen dazu anregen, über aktuelle regionale Themen „in den Diskurs zu treten“.

Auch analog wird Thomas Hoeps aktiv werden. Viel möchte er noch nicht verraten, denn er habe vor, die Krefelder zu überraschen. Ein Beispiel gibt er jedoch: „Wenn plötzlich an einer Mauer ein Gedicht auftaucht, dann geht da jemand, der mit Lyrik nichts anfangen kann, am ersten Tag vorbei. Am zweiten auch. Am dritten Tag fragt er sich, ‚Was steht da eigentlich?‘ Am fünften Tag versucht er, das Gedicht zu verstehen, und am siebten Tag freut er sich darüber, weil es ihm etwas sagt.“

Eine lebendige literarische Szene in Krefeld aufbauen

Impulse geben, vernetzen und beleben. So will Thomas Hoeps auch eine junge literarische Szene in Krefeld aufbauen. Begeistert führt er aus: „Bernhard Hennen, Ulrike Renk, Liesel Willems und weitere – es gibt ja namhafte Schriftsteller in Krefeld. Aber wo sind eigentlich die jungen Autorinnen und Autoren? Für sie soll das Literaturhaus ein Ort des Austauschs sein, eine Literaturwerkstatt, in der Talente gefördert werden!“ Es solle auch diverser und interkultureller zugehen, meint Thomas Hoeps, „und natürlich sollte das Literaturhaus nicht nur für Krefeld die Literatur voranbringen, sondern auch ins Umland ausstrahlen.“

Er hat sich viel vorgenommen, dieser auf den ersten Blick so zurückhaltende, aber bei genauerem Hinsehen doch sehr energische Literaturliebhaber. Wir sind gespannt, freuen uns für Krefeld und wünschen viel Glück und Erfolg!

Niederrheinisches Literaturhaus Krefeld
Gutenbergstraße 21, 47803 Krefeld
Telefon: 02151 1543766

Über den/die Autor/in: Bettina Heymann

Einen Kommentar hinterlassen

Dazugehörige Tags

Tags: , 0 Kommentare on Neuer Leiter für das Niederrheinische LiteraturhausVeröffentlicht am: 13. November 2020Zuletzt bearbeitet: 16. Februar 2023934 WörterGesamte Aufrufe: 491Tägliche Aufrufe: 14,8 Minuten Lesezeit

Ähnliche Beiträge

Unsere aktuelle Ausgabe online lesen

Du möchtest das kredo-Magazin lesen, aber es muss nicht die Print-Version sein? Hier kannst Du Dir die neueste Ausgabe als PDF im Ganzen ansehen und kostenfrei herunterladen.

Teile diese Story

Wir kennen KrefeldWir glauben an KrefeldUNSER KREDO – KREFELD AUS ÜBERZEUGUNG

Titel

Nach oben