Wenn wir ein Kleidungsstück neu kaufen, ist sein Weg vom Hersteller bis in unseren Kleiderschrank normalerweise recht kurz und unspektakulär. Das meiste, was es bei den gängigen Ketten zu kaufen gibt, wird in großen Mengen günstig produziert, wandert in Geschäfte und den Onlinehandel und wir dort von uns erworben – im Wissen, dass es nach einer kurzen Lebenszeit bald wieder ersetzt werden wird. Anders verhält es sich mit Secondhand-Mode. Übernehmen wir ein getragenes Kleidungsstück, ziehen wir damit auch ein Stück Lebensgeschichte der anderen Person an. Hat dieses T-Shirt seinen Vorbesitzer beim ersten Date im Kino bekleidet? War dieser kuschlige bunte Pulli schon mal im Urlaub? Bei welcher Gelegenheit hat dieses Kleid seine Trägerin wohl strahlen lassen? Es sind diese Fragen, die das Team von Truedat – Vintage Streetwear immer begleiten und faszinieren, wenn es besondere Kleidungsstücke für ihren Store auswählt.
In der alten Meisterei des denkmalgeschützten Mies van der Rohe Businessparks haben Yurika Heyer, Till Niedert und Tim Steinkamp vor Kurzem eine Kombination aus Lager und Showroom für ihren großen Secondhand-Kleiderverkauf samt eigenem Streetwear-Label eingerichtet. Hier, wo früher Maschinen der Verseidag brummten, können Firmen und Unternehmer seit wenigen Jahren nun ihrerseits produzieren, lagern und herstellen und dem Gebäudekomplex so nach und nach neues Leben einhauchen. Inzwischen sind über 40 Unternehmen verschiedenster Größe im Businesspark ansässig.
In vielen Großstädten waren „Vintage-Street-Wear-Shops“ ebenso wie die Umnutzung alter Industrieanlagen schon lange üblich, als Tim vor circa zwei Jahren auch in Krefeld ein neues Lifestyle-Konzept etablieren wollte. Angefangen hat damals alles mit einer kleinen Skatermarke. „Ich stelle Sachen gerne selber her und mag es, Dinge zu entwickeln. Zuerst war Truedat ein reiner Onlineshop, wo ich Shirts mit dem Brand-Logo darauf verkauft habe“, erklärt der Initiator des Projekts und begeisterte Anpacker, der auch die Einrichtung des neuen Lagers größtenteils selbst gebaut hat. „Shoppen hat mich früher immer genervt. Ich habe selten was Gutes gefunden. Die Sachen, die ich hatte, habe ich immer lange getragen und gut gepflegt. Qualität war mir immer wichtig“, beschreibt der 31-Jährige und fügt schmunzelnd hinzu: „Und ich fand den Gedanken cool, Sachen auf den Markt zu bringen, die dann auch nicht jeder hat. Bei uns kann man sich sicher sein, dass man nicht fünf andere in der Stadt trifft, die das gleiche tragen.“
Nach kurzer Zeit holte sich der kreative St. Töniser mit Till und „Yuri“ zwei Mitstreiter ins Boot, mit denen er gemeinsam einen liebevoll eingerichteten kleinen Laden für seine selbst entworfenen Klamotten und hochwertige Secondhand-Mode an der Lewerentzstraße eröffnete. „Nach dem Studium habe ich nach etwas gesucht, was mir Spaß macht. Uns hat das Thema Nachhaltigkeit interessiert; da war der Schritt zum Verkauf von Vintage-Klamotten neben der eigenen Streetwear-Marke nicht weit. Als das beschlossen war, hat es vielleicht drei Tage gedauert, bis wir die erste Ware hatten. Das hat schon was, wenn man einen Sack mit alten Klamotten aufmacht und man da ´nen geilen Pulli drin findet“, erinnert sich Till, der inzwischen in Vollzeit für Truedat tätig ist.
Mittlerweile vertreiben die drei Freunde hauptsächlich ausgewählte Vintage-Einzelstücke aus den 80ern und 90ern, die sie sorgfältig auf Schäden und Sauberkeit prüfen, bevor sie in den Verkauf gehen. Oft sind unter den Unikaten, die die drei „Truedats“ aufspüren, echte Besonderheiten mit Sammler-Wert zu finden. „Und die Teile haben alle ihre Geschichte, das finde ich besonders spannend. Ab und zu findet man noch Kleinigkeiten in den Taschen, die direkt eine Geschichte im Kopf entstehen lassen – zum Beispiel ein Kinoticket aus einem Kino in Moers“, beschreibt Yuri lächelnd. Sie fungiert im Dreiergespann vor allem als Ansprechpartnerin im Showroom und wird – wenn neben dem Hauptberuf genug Zeit ist – auch als Model und Influencerin kreativ, um den Followern auf Facebook und Instagram die neusten Lieblingsteile der Kollektion zu präsentieren. „Ich spreche die Leute vor Ort an. Truedat als Online-Shop funktioniert vor allem überregional. Es ist uns aber wichtig, hier auch lokal aktiv zu sein und zum Beispiel Veranstaltungen zu machen, damit Krefeld auch einen Mehrwert davon hat. Ich finde es wichtig, dass man eine Beziehung zu den Leuten aufbaut und nicht nur eine Internetadresse ist“, erklärt sie. Schon mehrere Märkte und Events haben Tim, Till und Yuri in ihrer kurzen Unternehmensgeschichte initiiert und mitgestaltet. Auch humanitäre und kulturelle Projekte unterstützen die drei in diesem Rahmen.
Obschon die Secondhand-Auswahl von Truedat über die vergangenen Monate stark angewachsen ist, vertreibt das Trio nach wie vor auch selbstdesignte Kleidungsstücke. Die minimalistisch gehaltene Basic-Kollektion mit zeitlosem Design wirkt als Bindeglied zwischen den sonst eher ausgefallenen Einzelstücken des Vintage-Sortiments und der normalen Alltagskleidung. Auch hier wird auf Nachhaltigkeit geachtet. Alle Truedat-Shirts, -Caps und -Pullis werden aus Bio-Baumwolle und recyceltem Kunststoff möglichst ressourcensparend und vegan hergestellt. So vermeidet Truedat fast vollständig die Nutzung konventionell produzierter Materialien.
Ob der Kinoticket-Käufer aus Moers wohl damit gerechnet hätte, dass seine Jacke rund 20 Jahre später ihren Weg in die loftige Truedat-Lagerhalle am Mies van der Rohe Businesspark finden und von dort aus in den Kleiderschrank eines nostalgischen Neubesitzers wandern würde? Wer weiß. Vermutlich war er an besagtem Abend in Gedanken ganz bei seinem Date…
Truedat, Weyerhofstraße 68, 47803 Krefeld,
Öffnungszeiten: Di – Sa 12 – 18 Uhr
Tel.: 02151 4844440, www.truedat.de
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