Es ist laut unter der Kuppel der gigantischen Traglufthalle, die Luft ist warm und feucht. Ein Gewirr aus Stimmen vermischt sich mit dem durchgehenden Rauschen des Wassers, in dem unzählige Arm- und Beinpaare ihre Wellen schlagen. Oliver Greck steht auf den hellen Fliesen am Beckenrand und beobachtet aufmerksam die gemischte U10-Wasserballjugend, wie sie Ballführung, Wurfkraft und -präzision trainiert. Die rund zwölf Mädchen und Jungs bewegen sich ausdauernd wie kleine Fische in dem großen Becken des SV Bayer 08. Und Oliver Greck ist mit dafür verantwortlich, dass sie hier ihr Element gefunden haben.
Der 34-jährige Krefelder hat selbst mal so angefangen. Wenn auch erst als Zwölfjähriger, beim Lokalrivalen SVK 72. Denn, wie viele andere Kinder, hatte auch er selbst den Wasserball zunächst nicht so recht auf dem Schirm. „Ich hab viele andere Sportarten ausprobiert. Mein Opa war ziemlich erfolgreich im Rennradfahren. Entsprechend wollte ich in seine Fußstapfen treten. Das war bedingt erfolgreich, dann war ich beim Fußball, Ju Jutsu… Für mich war Erfolg immer sehr wichtig. Wenn der sich nicht eingestellt hat, hatte ich schnell keine Lust mehr. Irgendwann haben mich meine Eltern zum Wasserball geschickt. Und da bin ich geblieben“, erinnert er sich.
Vom Sportplatz ins Schwimmbecken
Im Wasser stellen sich endlich die Fortschritte ein, die Oliver in den anderen Sportarten gefehlt hatten. In der SVK 72 spielt er die komplette Jugend, mit 21 wechselt er zum Oberligisten nach Rheinhausen, gewinnt mit seiner dortigen Mannschaft den NRW-Pokal. So wird Bayer auf ihn aufmerksam. Mit 22 Jahren spielt Oliver Greck schließlich als erster Torwart in der Wasserball-Bundesliga. Eine Position, die er sich nicht unbedingt freiwillig ausgesucht hat, gibt er zu. „Beim Wasserball kamen damals meistens die, die nicht so gut schwimmen konnten oder dick waren, ins Tor“, erzählt er amüsiert. „Damals war ich noch nicht so athletisch, also haben meine Trainer mich ins Tor geschickt. Das konnte ich dann relativ gut, also bin ich dort geblieben. Heute, in der zweiten Mannschaft, spiele ich im Feld.“
Ein neues Konzept für die Wasserballjugend
Als die Vereinbarkeit von Beruf und professionellem Sportlerdasein nicht mehr gegeben ist und Verletzungen die aktive Laufbahn behindern, verabschiedet sich Oliver aus dem Leistungssport. Seit gut drei Jahren ist der aktive Wasserball sein Hobby, während sich seine neue Leidenschaft am Beckenrand abspielt: „Die Jugendarbeit hat mir immer schon am Herzen gelegen. Als sich die Möglichkeit ergeben hat, mich hier zu engagieren, wusste ich, dass ich das machen will“, berichtet der Ex-Torhüter leidenschaftlich. „Früher hat der Jugendwasserball bei Bayer Standards gesetzt. Das hat sich irgendwann so langsam ausgeschlichen. Ein Prozess, der mich frustriert hat, weil ich wirklich guten Spielerinnen und Spielern beim Wechsel zugesehen habe.“
„Wasserball ist meiner Meinung nach der ehrlichste Sport, den es gibt. Bin ich fleißiger als mein Gegenüber, kann ich garantieren, dass ich besser werde als mein Gegenüber.“
Oliver Greck
2020 entwickelt er, gemeinsam mit den Vereinskollegen Kai Küpper und Gerrit Pape, nicht nur den neuen Namen „Pirates“, sondern auch ein neues Konzept für den Wasserballnachwuchs. Dabei geht es um den Aufbau und die Förderung sportlicher Talente. Aber auch um die Persönlichkeitsentwicklung, die ein engagierter Teamsport wie Wasserball für jedes Teammitglied mit sich bringen kann. Außerdem legen die Trainer Wert darauf, den Teamspirit auch jenseits des Beckens zu pflegen. Für die Kinder gibt es neben dem Training ein umfangreiches Freizeitprogramm, in das der Breitensport mit einbezogen wird: Leistungsanspruch trifft Spiel und Spaß. Mit größerer Präsenz und eigener Instagramseite versucht das Trainerteam außerdem, mehr Eltern zu erreichen und für den Wassersport zu interessieren. Zu diesem Zweck wurde sogar ein eigenes Imagevideo produziert, das den Vereinsspirit erlebbar macht. Denn Wasserball ist auch heute noch eine Randsportart, die allzu oft neben den bekannten „Größen“ untergeht: Fußball, Reiten, Hockey – oder Schwimmen. Wer hier gut ist, bleibt meistens dabei. Den naheliegenden Transfer zum Wasserball machen die wenigsten.
„Ich möchte, dass die Kinder genauso viel Spaß an dem Sport haben, wie ich damals. Weil ich glaube, dass man fürs Leben sehr, sehr viel mitnimmt.“
Oliver Greck
Erfolg durch Motivation
Dabei ist das Schwimmen – neben der richtigen Einstellung – die halbe Miete auf dem Weg zum guten Wasserballer, findet Oliver Greck. „Wasserball ist meiner Meinung nach der ehrlichste Sport, den es gibt. Bin ich fleißiger als mein Gegenüber, kann ich garantieren, dass ich besser werde als mein Gegenüber. Man kann durch das richtige Mindset und körperliche Fitness viel kompensieren. Ich habe genug Spielerinnen und Spieler gesehen, die es nur mit Leistungsbereitschaft in die Bundesliga geschafft haben“, erzählt er überzeugt. „Deshalb würde ich auch niemals ein Kind nach Hause schicken. Es sind alle herzlich willkommen. Natürlich gibt es Kinder, die es aufgrund ihrer körperlichen Voraussetzungen schwerer haben werden als andere. Aber ich weiß, dass man hier wirklich gute Chancen hat, mit Motivation die eigenen Schwächen auszugleichen und richtig gut zu werden.“
Herzensaufgabe Nachwuchsförderung
Ab sieben Jahren starten die jüngsten Pirates im Normalfall mit dem Training in der Wasserball U10, bestenfalls direkt im Anschluss an die Schwimmschule. Auch die kleinsten sind schon dreimal pro Woche zwei Stunden im Wasser. Ab der Jugend wird bestenfalls vier- bis fünfmal die Woche trainiert. Noch entdecken mehr Jungs als Mädchen den Wasserball für sich. Aber die Mädels holen auf.
„Ich möchte, dass die Kinder hier bei Bayer genauso viel Spaß an dem Sport haben, wie ich damals“, sagt Oliver Greck, der selbst auch nach 22 Jahren noch genauso für den Sport brennt, wie am ersten Tag. „Weil ich glaube, dass man fürs Leben sehr, sehr viel mitnimmt. Nicht umsonst gibt es Studien, die belegen, dass man beispielsweise besonders erfolgreich im Beruf ist, wenn man auch schon erfolgreich im Sport war.“ Teamfähigkeit, Gemeinschaftsgefühl, Leistungsbereitschaft, Motivation und Persönlichkeitsstärkung – Es sind Erlebnisse und Eigenschaften, von denen jedes der Kinder für sich zehrt, von denen aber auch alle gemeinsam profitieren. Besonders in Zeiten, in denen das Handy immer mehr unsere Aufmerksamkeit fesselt und die Bewegung als wichtiger Teil der kognitiven und motorischen Entwicklung oft zu kurz kommt, sieht das Trainerteam des SV Bayer 08 in seiner Arbeit einen wichtigen Ausgleich. „Deswegen lautet mein Aufruf an alle, die was im Bereich Amateursport machen: Engagiert euch! Tut es nicht nur für euch, macht es auch für die Kinder“, appelliert der 34-Jährige.
Mit Blick ins azurblaue Becken des SV Bayer 08 scheint der Einsatz der Pirates-Trainer Früchte zu tragen. Da sind Kinder, die konzentriert, aufmerksam und resilient miteinander in Aktion treten – und von denen keines sich drückt, auch mal einen Extrameter zurückzulegen. Warum auch, sind sie doch längst zu kleinen Fischen im Wasser geworden – pardon. Zu Piraten, natürlich.
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