Es war eine illustre Runde, die sich am 12. Mai 1897 am runden Tisch versammelte – allesamt angesehene Linner Bürger: der Bürgermeister, der Hauptlehrer, ein Arzt, ein Wirt, ein Bäcker und einige Landwirte der Gegend. Sie hatten ein gemeinsames Ziel: den Einwohnern Linns mit geringem Einkommen kostengünstigen und gesunden Wohnraum in eigens erbauten oder angekauften Häusern zu verschaffen. Daher gründeten sie die Linner-Aktien-Baugesellschaft. Um die Jahrhundertwende herrschte in Krefeld Wohnungsmangel. Mit der Gründung neuer Betriebe wie des Krefelder Stahlwerks, der Eisenbahnhauptwerkstätte in Oppum und der Baumwollspinnerei im Jahr 1896 erhöhte sich die Einwohnerzahl Krefelds sprunghaft und damit der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum. Aus dem Zusammenschluss mit weiteren Baugesellschaften ging schließlich die Wohnstätte Krefeld Wohnungs-Aktienbaugesellschaft hervor. Heute – 125 Jahre später – ist die Wohnstätte Krefeld Wohnungs-AG mit mehr als 8.900 Wohnungen im Angebot das größte in Krefeld ansässige Wohnungsunternehmen.
Gutes Wohnen muss bezahlbar sein
Vorstand Thomas Siegert (58) schildert, wie er mit seinem 80-köpfigen Team die komplexen Aufgaben und künftigen Herausforderungen bewältigt, um möglichst vor der EU-Vorgabe 2050 klimaneutral zu sein – mit einem Masterplan und einem stattlichen Investitionsvolumen von über 800 Millionen Euro. „Vereinfacht kann man sagen, dass wir uns vom reinen Anbieter und Vermarkter von günstigem und attraktivem Wohnraum hin zum kundenorientierten Dienstleistungsunternehmen entwickelt haben“, beschreibt Siegert die Positionierung, „mit einer zusätzlich hohen Verantwortung für den Klimaschutz, der natürlich sozialverträglich gestaltet sein muss. Im wirtschaftlichen Kontext wollen wir schließlich unseren durchschnittlichen Mietpreis von 5,87 Euro pro Quadratmeter nur sozialverträglich erhöhen, um für eine breite Bevölkerungsgruppe auch zukünftig preiswerten Wohnraum anbieten zu können.“
Neben den städtebaulichen Akzenten sieht der Betriebswirt die gesamte Immobilienwirtschaft in einer Schlüsselrolle, um maßgeblich einen Beitrag zur Klimaneutralität zu leisten. „Immerhin hat die Wohnstätte seit 1990 rund 40 Prozent an Energie eingespart. Dabei hatten wir überwiegend die Gebäudehüllen im Fokus. Zukünftig werden es zudem die Energieträger sein, die modernisiert und bei Neubauten eingesetzt werden, wie zum Beispiel klimaneutrale Luft-Wärme-Pumpen, Fotovoltaikanlagen und klimafreundliche Fernwärme. Hier sind wir im kontinuierlichen Austausch mit dem Vorstand der SWK, um gemeinsame Aktivitäten zu synchronisieren.“ Nach einer fortlaufenden Bestandsanalyse können laut Thomas Siegert rund 2.000 Wohnungen zeitnah klimaneutral umgerüstet werden, weitere 4.000 müssen aufwändig saniert und 3.000 Wohnungen müssen abgerissen und neu gebaut werden. Eine solche Mammutaufgabe braucht einen pragmatischen Fahrplan. „Zur Erstellung einer CO2-Bilanz bekommt jedes Gebäude einen Steckbrief, der den jeweiligen Istzustand und die geplanten Maßnahmen für eine klimaneutrale Modernisierung dokumentiert – ein wichtiges strategisches Steuerungsinstrument für unsere Zielvorgaben und Aktivitäten, die wir in regelmäßigen Intervallen überprüfen“, erläutert Thomas Siegert. „Erstmals im Jahresabschluss 2022 wird sich ein Nachhaltigkeitsbericht wiederfinden. Zwei Jahre vor den gesetzlichen Vorgaben.“
“Wir leben die Klima-Verantwortlichkeit von innen.”
Thomas Siegert
Zu den großen Herausforderungen zählen Faktoren, die von außen kommen, wie etwa fehlende Fachkräfte und eine instabile Materialversorgung. Wohnstätte-Vorstand Thomas Siegert erklärt: „Bereits in der Pandemie haben wir die Auswirkungen zu spüren bekommen, wenn Lieferketten unterbrochen werden. Ebenso werden die Nachwuchsprobleme im Handwerk immer deutlicher. Und in der aktuellen Weltlage verschlechtert sich die Preisentwicklung. Für unsere Instandhaltungsaufträge nutzen wir zum Großteil Rahmenverträge mit lokalen Handwerksbetrieben bei rund zehn Gewerken mit vereinbarten Konditionen, die alle drei Jahre neu ermittelt werden.“
Pro Jahr fallen rund 18.000 Reparaturaufträge an, die möglichst schnell und unbürokratisch erledigt werden müssen. Hilfreich sind digitale Prozesse, die über ein Online-Portal Aufträge und Rechnungen abwickeln und durch den papierlosen Einsatz dazu beitragen, Prozesskosten zu minimieren.
Gutes bewahren und Neues wagen
Prozessoptimierung wird bei der Wohnstätte grundsätzlich großgeschrieben – angefangen beim internen Postdurchlauf bis zum kompletten Rechnungs- und Zahlungsverkehr ist alles digitalisiert. Seit 2017 auch die Mieter-Akten. Seit 2021 werden Wohnungsabnahmen, -übergaben und Protokolle mittels Tablet vor Ort angelegt und per E-Mail dem Kunden zugestellt. Trotz Pandemie konnten bislang 90 Prozent der mehr als 8.900 Wohnungen mit Grundrissen und technischen Ausstattungen digital dokumentiert werden. Eine neue Mieter-App wird noch in diesem Jahr an den Start gehen und den Kundenkontakt weiter optimieren. Wurden die Heizkostenablesungen bislang postalisch zugestellt, geschieht dies perspektivisch über die App. Bis Ende 2023 sollen bis zu 50 Prozent der Kunden so einen erweiterten Service abrufen können.
Der Betriebswirt scheut keine Veränderungen, mag den offenen, sachlichen und fairen Dialog und findet es ärgerlich, wenn Einzelinteressen allzu beharrlich über Gesamtinteressen und Gemeinwohl gestellt werden: „Da muss man schon mal Flagge zeigen, denn vom Stillstand hat keiner was“.
Am 12. Mai wird das Jubiläum gefeiert – erstmal offiziell und dann intern, mit allen aktuellen und ehemaligen Mitarbeitenden, die das Gesamtpaket mit ihrem persönlichen Einsatz erst möglich machen. Und am 15. Mai finden an drei Orten in Krefeld Mieterfeste statt, in Linn, Gartenstadt und der Innenstadt – dort, wo die Mieterinnen und Mieter der Wohnstätte zu Hause sind. Und wer noch auf der Suche nach attraktivem Wohnraum ist: Der Schlüssel zum Erstkontakt findet sich ganz einfach unter: www.wohnstaette-krefeld.de
Neues Wohnstätte-Quartier in Oppum: An der Herbertzstraße entstanden bis 2020 in zwei Bauabschnitten jeweils sechs neue Häuser. Von den insgesamt 107 Mietwohnungen für Singles, Familien und Senioren wurden 43 mit Mitteln aus der öffentlichen Wohnraumförderung finanziert. Die Wohnstätte investierte rund 14 Mio. Euro in die Neubaumaßnahme, wo ein Blockheizkraftwerk zur Wärmeversorgung der Wohnungen gewählt wurde. Erwähnenswert sind die zahlreichen Fahrrad-Abstellmöglichkeiten sowie die kinder- und familienfreundliche Gestaltung der Außenanlagen. Zudem realisierte die Wohnstätte hier zusammen mit der Alexianer Krefeld GmbH, Wohnverbund Krefeld, ein inklusives Wohn-Projekt mit 23 gut ausgestatteten und barrierefreien Einzelwohnungen zur Miete für Menschen mit psychischen Erkrankungen.
Auch in Gartenstadt (Akazienstraße, Taxusweg und Pappelstraße) entstand ein neues Quartier. Hier errichtete die Wohnstätte von 2015 bis 2017 sieben sogenannte Punkthäuser mit insgesamt 102 Wohneinheiten, eine Tiefgarage, ein Fahrradhaus sowie eine großzügige Außenanlage mit Erholungs- und Spielmöglichkeiten.
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