Ein Tacheles-Podcast für neue Perspektiven

Der gemeine Krefelder hat das Nörgeln zum Teil seiner Identität werden lassen, so kommt es einem jedenfalls manchmal vor. Teilweise ist das Beschweren durchaus gerechtfertigt, oft hat die Negativeinstellung jedoch wenig fundierten Hintergrund und lässt die Gegebenheiten der städtischen und eigenen Handlungsmöglichkeiten außer Acht. Mit ihrem Podcast „Heulen oder Handeln“ setzen Christiane Lange und Helge Drafz durch gezielte Analysen, fundierte Lösungsansätze und großes Netzwerkpotenzial an der Schnittstelle zwischen unproduktiver Meckerei und gerechtfertigter Kritik an.

Hosting: Das Moderatoren-Duo Christiane Lange und Helge Drafz

Als Urenkelin des Krefelder Industriellen und Kunstsammlers Hermann Lange ist Kunsthistorikerin Christiane Lange tief mit der kulturellen, insbesondere der städtebaulichen Identität Krefelds verbunden. Sie hat sich mit temporären und dauerhaften Projekten wie dem begehbaren Architekturmodell Mies 1:1 auf dem Egelsberg, dem Krefeld Pavillon von Thomas Schütte im Kaiserpark und einem Krefelder Architekturguide für die Entwicklung der Stadt stark gemacht. 2009 gründete sie gemeinsam mit Gleichgesinnten zu diesem Zweck die Forschungs- und AusstellungsinitiativeProjekt MIK e.V. Für ihren „außerordentlich erfolgreichen Versuch, Krefelds anerkannte Stärken hervorzuheben, auszuloten und zu erweitern“ wurde sie vergangenes Jahr mit der Stadtehrenplakette ausgezeichnet.

Ihr Moderationskollege, der Historiker, Journalist und Autor Helge Drafz wiederum kennt Krefeld und Umgebung durch seine langjährige Arbeit für verschiedene Zeitungen, WDR-Hörfunk und -Fernsehen sowie durch mehrere Dokumentarfilme wie seine Westentasche. Gemeinsam haben die Neu-Podcaster bereits verschiedene Projekte in der Stadt umgesetzt – so zum Bespiel die Dokumentation „Krefeld, was nun?“, die – basierend auf der 2021 veröffentlichten „Kulturhistorischen städtebaulichen Analyse“ – das Potenzial der historischen Innenstadtstruktur aufzeigt. Gefunden haben sich Lange und Drafz vor vielen Jahren über ihr geteiltes Interesse an Ludwig Mies van der Rohe. Seither sind jährlich neue Filme entstanden, die es in diesem Sommer im Krefeld Pavillonnoch einmal gesammelt zu sehen geben wird.

Schon bei der Begrüßung in unserer Redaktion fallen die beiden durch ein waches und versiertes Auge auf „Ah, sehr schön. Das ist ja richtig typische alte Stadtbebauung hier, mit dem traufständigen Satteldach und den schmalen Elementen“, bemerkt Christiane Lange beim Blick aus dem Fenster. Bei seiner Ankunft fünf Minuten später sagt Helge Drafz dasselbe.

Heulen: Die vielen Formen der Kritik

Gemeinsam hinterfragen Christiane Lange und Helge Drafz nun die allgemeine Erzählhaltung Krefeld gegenüber. „Es wird irre viel geheult. Heulen tun eigentlich alle, auch Politiker heulen, und jeder zeigt tendenziell mit dem Finger auf andere. Das ist keine Lösung, es geht nur miteinander“, sagt die Kunsthistorikerin. Mit dem Podcast wolle sie zu diesem Zusammenspiel beitragen. „Der mentale Zustand der Stadt ist in vielen Bereichen geprägt von Resignation. Es wird ganz stark so empfunden, dass nichts Gutes mehr da ist“, sagt Christiane Lange. „Der Zweck unseres Podcasts ist, die Reparatur der Stadt als ein gemeinsames positives Ziel zu setzen. Wir können uns tausendmal fragen, warum etwas schiefgelaufen ist. Ich treffe oft wütende Leute, die sagen ‚Das muss alles mal ganz klar benannt werden, damals hat der diesen und die jenen Fehler gemacht!‘ Aber das interessiert uns nicht mehr. Es geht darum, Prozesse im Heute zu optimieren, zu überlegen, wie wir es besser machen können.“

Handeln: Wer wie und wo anpacken kann

Den Anstoß zur Veränderung sehen Lange und Drafz übrigens in der Verantwortung aller. Bürger, Politik und Stadtverwaltung hätten ihre jeweiligen Möglichkeiten zu organisieren und einzubringen. „Als Bürger sind wir ja nicht einfach nur Dienstleistungsempfänger in dieser Stadt. Wir haben schon auch eine aktive Aufgabe und müssen bei uns selber anfangen. Und das beginnt bei der eigenen Haltung“, sagt Christiane Lange. Gerade die Wiedererrichtung der Mitte unserer Stadt sei eine Gemeinschaftsaufgabe, deshalb sei die Weiterentwicklung der Innenstadt auch ein Kernthema des Podcasts. Sie führt ein Beispiel an: „Es gibt generelle strukturelle Probleme vieler kleinerer Städte im Rheinland und im Ruhrgebiet zwischen all den großen Städten. Und es gibt überall die Herausforderung lokaler Handel gegen Onlinehandel. Stadtzentren sind mehr als nur Einkaufszentren. Da müssen sich alle Städte wieder auf ihre eigene Substanz zurückbesinnen und schauen, was man aus dieser Substanz machen kann, wenn das klassische Handelsthema nicht mehr so weitergeführt werden kann. Da sind dann zum Beispiel private Immobilieneigentümer gefragt.“

Aber der Reihe nach: Um ins Tun zu kommen, muss eine Informationsbasis geschaffen werden. Und dafür gilt es erst einmal, die richtigen Fragen zu stellen. Darin ist Helge Drafz Profi. „Durch meine Arbeit nehme ich seit vielen Jahren schon Veränderungs- und auch Stagnationsprozesse wahr und gehe den Gründen nach. Ich habe das Gefühl, dass über eine gewisse Frustration hinaus die Leute gar nicht mehr danach fragen, warum etwas wie ist und wie man es ändern kann. Wir wollen mit unserem Podcast eine lebhafte, konstruktive und analytische Debatte initiieren“, erläutert Drafz.

Ist Krefeld für die Zukunft gerüstet? Macht gute Architektur glücklich? Wann ist eine Stadt schön? Oder hässlich? Und: Wie kann man sie reparieren? Antwort geben Krefelderinnen und Krefelder aus Politik, Medienlandschaft, Wissenschaft, Stadtplanung und dem Kultursektor. Als Gäste der ersten Folgen durften bereits die Architektin Claudia Schmidt, RP-Lokalchefredakteur Jens Voß und der Comedian und Poetry Slamer Johannes Floehr ihre Perspektiven teilen. Einen besonderen Beitrag leistet Design-Dekan und Musiker Erik Schmid mit der Einspielung seiner „Krefeld Sonate“

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Beim Roundtable-Talk: Einer der ersten Gesprächsgäste war Design-Dekan Erik Schmid – diese besondere Folge wird im Mai auf allen Plattformen abrufbar sein, einschließlich Schmids neu eingespielter„Krefeld Sonate“ . Als nächster Gast wird Krefelds Wirtschaftsförderer und Dezernent Eckart Preen zu Wort kommen.

Hören: Jeden zweiten Freitag – überall, wo es Podcasts gibt

So verbindet das Format gleich mehrere Benefits: Es wirkt als Netzwerktool, weil es Expertinnen und Experten ins Rampenlicht rückt, die zum Teil eher unter dem Radar der breiten Öffentlichkeit fliegen. Es vermittelt Wissensgrundlagen, die vielen Bürgerinnen und Bürgern zur Bewertung konkreter Problemfelder fehlen und ermöglicht ihnen so einen besseren Zugang zur laufenden Debatte. Und es informiert ganz nebenbei über spannende Projekte, die in Krefeld laufen und es wert sind, beobachtet zu werden.

Bei akuter Krefeld-Misanthropie empfehlen wir ab sofort Audiotherapie. „Heulen oder Handeln“ gibt es jeden zweiten Freitag überall, wo es Podcasts gibt. Und wenn Du keine Folge verpassen willst, abonniere das Projekt auf Instagram und folge dem Kanal auf einer Plattform Deiner Wahl oder auf der Website www.projektmik.com.

Über den/die Autor/in: Esther Jansen

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Tags: , , , 0 Kommentare on Heulen oder HandelnVeröffentlicht am: 14. März 2023Zuletzt bearbeitet: 14. März 20231067 WörterGesamte Aufrufe: 661Tägliche Aufrufe: 15,5 Minuten Lesezeit

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