Als Kind fand Christoph Pietsch alle Superhelden toll. Während eines Schulpraktikums beim KFC Uerdingen entwickelte er Spaß am Marketing und spürte, dass ihm das Vernetzen von Menschen und Bedürfnissen liegt. Als angehender Marketingexperte saugte er von den Erfolgreichsten der Branche das Wissen auf, das ihn heute selbst zu einer Art Superheld macht. Mit nur 34 Jahren gehört der Krefelder zu den erfolgreichsten Marketing- und Agenturstrategen Deutschlands. 2021 schreibt er seine Geschichte weiter: bei der deutschen Publicis-Gruppe, einer der größten Werbeholdings der Welt. Von Düsseldorf aus wird Christoph Pietsch als Chief Growth Officer (CGO) die Geschäftsentwicklung, die Unternehmenskommunikation und das Neugeschäft zwischen Hamburg, Berlin, Frankfurt und München ausbauen. Wir haben den Mann mit den unkonventionellen Ideen an einem seiner Krefelder Lieblingsorte getroffen und mit ihm über innovatives Marketing, sein Leben im Turbomodus und die Zukunft seiner Heimatstadt gesprochen.
Es ist Montag, ein früher Abend im Nordbahnhof. Hinter einem Topf mit Muscheln sitzt Christoph Pietsch in Bluejeans und roten Socken in weißen Turnschuhen. Aus seiner nachtblauen Sakkotasche blitzt ein rotgemustertes Seidentuch, made in Krefeld. Inhaber Johannes Furth bringt eine Apfelschorle und freut sich, das bekannte Gesicht mal wieder in Krefeld zu sehen. Man kennt sich, ist befreundet und hat den Lebensweg des anderen immer verfolgt. „Was Johannes und seine Schwester Anne geschaffen haben, ist ein gutes Beispiel dafür, wie man mit Pioniergeist, Leidenschaft und einem Gespür für gutes Marketing noch erfolgreicher wird. Die beiden hätten sich auf dem Erfolg des Familienbetriebes ausruhen können, aber sie haben ihre Idee in den Bau ihrer eigenen Brauerei Schlüffken investiert, und das in einer Zeit, in der der Biermarkt rückläufig ist und Corona die Branche für Monate lahmgelegt hat. Der große Zuspruch gibt ihnen recht. Die beiden sind echte Kreative, Möglichmacher. Von solchen Menschen braucht es in Krefeld viel mehr“, findet Pietsch, der selbst auch zu dieser Gruppe gehört.
Passion für seine vielfältigen beruflichen Aufgaben, leidenschaftliches ehrenamtliches Engagement und eine offensichtliche Dauerinspiration prägen seinen Lebensweg. Der in Uerdingen aufgewachsene langjährige Hobbyfußballer beim KFC Uerdingen hat nach dem Abitur am Gymnasium am Stadtpark bei der renommierten Düsseldorfer Werbeagentur Grey eine Ausbildung zum Kaufmann für Marketing-Kommunikation gemacht und im Rahmen des hauseigenen Traineeprogramms für Führungskräfte ein duales Studium absolviert. Aus den Anfängen seiner Laufbahn hat er viel mitgenommen: „Ich durfte mir jede Menge abschauen und lernen, inhaltlich wie persönlich. Die Zeit als Assistent von Frank Dopheide, meinem damaligen Chef, hat mich bis heute geprägt. Damals habe ich auch erkannt, dass es gar nicht weh tut, den Kollegen mal einen Kaffee zu kochen und sich um die Kalender, die Reisen und den Tagesablauf eines anderen zu kümmern.“ Klingt nach Teamplayer-Kompetenz – nur eine Eigenschaft, die den „Machertyp“ Christoph Pietsch auszeichnet.
„Wer, wenn nicht wir. Man muss anders sein als die anderen“
Als Gründer der Communityplattform „Creative Hive“ (übersetzt heißt das „kreativer Schwarm“) vernetzt der Querdenker hunderte Kreative aus Kunst und Kultur, Wissenschaftler, Technologieexperten und Unternehmer miteinander, um neue Projekte und Geschäfte anzustoßen. „Cross Industry ist das Gebot der Stunde. Wenn Impulse aus der eigenen Schaffensblase nicht mehr ausreichen, braucht es Konzepte, Ideen und Gedanken aus anderen Welten“, betont der Stratege mit dem klugen Weitblick und sieht darin auch gleich Chancen für die Krefelder Stadtentwicklung. Denn seine Heimatstadt ist dem Mann, der zwar mittlerweile mit seiner Lebensgefährtin in Düsseldorf-Oberkassel lebt, keineswegs egal. Er beobachte allerdings, „dass die Dinge, die ,Heimat‘ dauerhaft liebenswert machen, mehr und mehr schwinden“ und zitiert den
US-Ökonomen Richard Florida, der sagt, dass die kreativen Köpfe einer Gesellschaft und die von ihnen ausgehenden Innovationen entscheidend für das wirtschaftliche Wachstum von Regionen sind. Christoph Pietsch sagt: „Krefeld braucht eine Idee und eine Mission.“ Er wünscht sich einen langfristigen Masterplan jenseits von Legislaturperioden und frei von politischen Ränkespielen und fügt hinzu: „Ich würde mich sehr gerne einmal mit dem Oberbürgermeister, dem Stadtmarketing, KFC-Präsident Mikhail Ponomarev, aber auch mit dem Vorstand und den Investoren der Pinguine, über die ökonomische und gesellschaftliche Zukunft unserer Stadt unterhalten.“ Klingt wie ein Angebot auf dem Silbertablett…
Christoph Pietsch hat mittlerweile einen immensen Schatz an Marketingerfahrungen und -erfolgen sammeln können, die immer eins zeigen: Heute kann man Neukunden nur gewinnen, wenn man anders ist als die anderen. „Es gibt 30 bis 50 international agierende Agenturen, die alle theoretisch dasselbe können wie wir. Den Unterschied machen die Menschen, die klugen Köpfe. Einem potenziellen Kunden muss ich erklären können, warum ich besser bin als alle anderen. Dafür muss ich mich vorher Wochen und Monate mit dem Geschäftsmodell, den internen Abläufen und der Kultur des Unternehmens vertraut machen und dann ein individualisiertes Angebot formulieren. Früher war das ganz anders. Da genügte oft ein Anruf, und der Auftrag war perfekt.“ Christoph Pietsch beschreibt schmunzelnd, wie ein solches Gespräch abgelaufen sein könnte: „Guten Tag, ich bin Bernd M. Michael, der Chef von Grey. Ich möchte für Sie Werbung machen, Herrn Bahlsen.“ Punkt. Darauf folgte nur noch die Vertragsunterzeichnung.
Folgenschwere Undercover-Aktion in einem Krefelder Baumarkt
Dann wird es spannend, als der kreative Andersdenker mit leuchtenden Augen von einem zunächst kläglich gescheiterten Anbahnungsversuch beim damaligen Bauhaus-Gründer Heinz-Georg Baus und dessen Marketingchef Robert Köhler erzählt, aus der später eine Guerilla-Aktion als Undercover-Praktikant entstand: „Ich war damals noch bei Grey und hatte mir in den Kopf gesetzt, einmal für die Bauhaus-Kette Werbung zu machen. Weil ich die Verantwortlichen nicht ans Telefon bekam, habe ich 20 Filialen angerufen und erzählt, dass ich über Marketing im Handel recherchiere und dafür den Mitarbeitern einmal über die Schulter schauen möchte. Alle verwiesen mich an die Personalabteilung in Mannheim, die mein Anliegen zurückwies.“ Aber Christoph Pietsch ließ nicht locker und bekam schließlich den Bauhaus-Chef von der Untergath ans Telefon. Der war vom theoretischen Ansatz des Bewerbers überhaupt nicht angetan, bot ihm aber an, stattdessen eine Woche zwischen den Regalen mitzuarbeiten.
„Zwei Azubis unserer Agentur kamen undercover mit und machten bei dem ,Einsatz‘ Videos. Vor den Film setzten wir eine Videobotschaft, in der ich offenlegte, dass ich Mitarbeiter einer Düsseldorfer Agentur bin, die für Bauhaus arbeiten möchte und ich gerne einmal persönlich aus Markensicht von meinen Erlebnissen berichten würde. Zusammen mit Presseausschnitten über Bauhaus und Schwarz-Weiß-Fotos des Marketingchefs habe ich das Video in eine Mappe gepackt und an einem Freitag mit dem Hinweis „streng vertraulich“ in die Mannheimer Zentrale geschickt. Montags bekam ich einen Anruf von Robert Köhler. Er saß mit dem Hausjustiziar zusammen und beorderte mich für eine Woche später in sein Büro. Dort haben wir unser Anliegen noch einmal ausführlich vorgetragen und bekamen ein Testprojekt angeboten. Ich vergesse nie seinen Satz: „Soweit ist noch nie jemand gegangen. Das war nicht plump. Das war intelligent.“ Eine Auszeichnung für eine unkonventionelle Idee, die funktioniert hat und der viele weitere Auszeichnungen in Form von Karrieresprüngen und Marketingpreisen folgen sollten.
„Preise schmeicheln, aber wenn Ideen entstehen, brennt die Luft im Raum“
Für Christoph Pietsch gab es spätestens seit dieser Erfahrung nur einen Weg: den Weg nach vorn, der für ihn gleichsam nach ganz oben führte – mit Kunden wie der Telekom, E.ON, Deichmann, Lufthansa, Henkel oder Miele. Mit 29 Jahren war er jüngster und erster Chief Marketing Officer (CMO) in der Geschäftsführung von Grey. Mit 32 wechselte er in derselben Funktion zur Agenturgruppe DDB Deutschland, die er im Sommer dieses Jahres verließ, um Anfang nächsten Jahres bei Publicis die Geschäftsentwicklung, die Kommunikation und das Neugeschäft in Deutschland auszubauen. Auf der Straße des Erfolges heimsten er und seine Kollegen auch renommierte Preise ein. DDB wurde 2018 „Beste Agenturmarke Deutschlands“ und 2019 „Agentur des Jahres“. Christoph Pietsch selbst schaffte es unter anderem in die TOP 100 „Köpfe der Industrie“ des Verlags „Werben & Verkaufen“, des Business Punk und in die „Top 40 unter 40“ des Wirtschaftsmagazins Capital. Bei allen Auszeichnungen, die der Managerseele schmeicheln, ist es aber immer das Entwickeln von Ideen, von Konzepten, das den Lebensunterhalt des Markenstrategen sichert und ihn antreibt, weiterzumachen: für das beste wirtschaftliche wie kreative Ergebnis und höchstmögliche persönliche Zufriedenheit. Die verspürt Christoph Pietsch im Zusammensein mit seiner Freundin, auf privaten Reisen, bei der Beschäftigung mit Kunst und Künstlern, beim Essen in seinen Lieblingslokalen – und immer dann, wenn er mal wieder auf dem Weg in seine alte Heimat Krefeld ist, wo seine Freunde und seine Eltern leben. Ganz bodenständig eben – wie viele Superhelden, wenn sie gerade nicht „im Einsatz“ sind.
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