Cuc Nghuyen hat schon als junges Mädchen ihre Mutter in Saigon beim Kochen unterstützt. Das Nähen brachte sie in die Seidenweberstadt Krefeld – und dort erfüllte sie sich den Traum eines eigenen kleinen Lokals namens Banh Mi Bay.

Lächelnd greift Cuc Nghuyen nach dem Zitronengras. Mit viel Liebe schichtet sie es auf das frische Banh Mi, ein Baguette, das aus Weizen- und Reismehl hergestellt wird und unlängst auch in ihrem Heimatland Vietnam zum absoluten Streetfood-Klassiker avanciert ist. Die Wahlkrefelderin hat sich mit ihrem kleinen Imbiss mitten in der Innenstadt einen Traum erfüllt: ein Stück ihrer südostasiatischen Wurzeln auf die Krefelder Teller zu zaubern.

Bringt ein Stück Vietnam nach Krefeld: Cuc Nghuyen

Die Liebe zum Kochen hat Cuc Nghuyen früh entdeckt. Als zweitälteste Tochter mit zehn Geschwistern hat sie ihrer Mutter schon als junges Mädchen in der Küche geholfen. Nghuyen, die das siebte Kind ist, hat in ihrer Heimat Saigon nicht nur gelernt, regionale Zutaten zu verwerten, sondern auch mit wenig auszukommen: „In der Nachkriegszeit hatten wir kaum Geld, weshalb wir das Essen sehr salzig gekocht haben, um es so zu strecken“, erklärt die 56-Jährige. Neben dem Kochen hatte Nghuyen noch eine andere große Leidenschaft: das Nähen. Genau diese brachte die junge Vietnamesin 1988 auch nach Deutschland. Als Gastarbeiterin nähte sie in einer Fabrik im Osten: „Mit ein paar Kolleginnen aus Vietnam bin ich nach Deutschland gekommen, war aber ansonsten ganz auf mich gestellt“, berichtet Nghuyen. Eine Wahl hatte die sympathische Krefelderin damals nicht, denn die Familie war auf das Gehalt der zweitältesten Tochter angewiesen.

Gleich nach der Wende ging es für Nghuyen dann nach Krefeld – auf Anraten vieler Bekannter: „‘In Krefeld gibt es viel zu tun‘, wurde mir damals gesagt“, erinnert sie sich. Diese Chance nahm die Vietnamesin wahr und zog weiter in die Seidenweberstadt. Hier lernte sie dann auch ihren Mann und späteren Vater ihrer zwei Kinder kennen: „Wir haben festgestellt, dass wir in Vietnam nur fünf Kilometer entfernt voneinander gelebt haben. Trotzdem mussten wir einmal um die halbe Welt ziehen, um uns kennenzulernen“, berichtet Cuc Nghuyen lachend. In Krefeld baut sich das junge Paar ein neues Zuhause auf – und beschließt bald darauf, sich mit einem kleinen Imbiss selbstständig zu machen. „Es war immer mein Traum, mir eigene Gerichte auszudenken und diese für Kunden anzurichten“, so die 56-Jährige. Dieser Traum geht Ende der 90er-Jahre in Erfüllung. Etwas außerhalb von Krefeld führt das Ehepaar seinen eigenen Imbiss mit vietnamesischem Lokalkolorit. Die Arbeit stand für das junge Paar, das 1991 und 1996 zwei Kinder bekam, im Vordergrund: „Meine Eltern wollten uns viel ermöglichen, weswegen sie sehr hart gearbeitet haben“, erklärt Tochter Oanh Nghuyen.

Als Oanhs kleinerer Bruder Phuong dann aber in die Schule kommt, ist für Cuc Nghuyen klar, dass sie mehr für die Kinder da sein möchte. Das Ehepaar verkauft den Imbiss, und Cuc Nghuyen kümmert sich um ihre beiden Kinder. Nebenbei näht sie aber immer noch leidenschaftlich gern und hilft in anderen Restaurants aus. Tief im Inneren kommt trotzdem immer wieder der Wunsch nach etwas Eigenem auf: „Ich wollte gerne einen kleinen eigenen Imbiss haben, für den ich verantwortlich bin“, so Nghuyen. Die Suche nach diesem Ort war gar nicht so einfach, wie sich auch Tochter Oanh erinnert: „Da meine Mama Streetfood verkaufen wollte, war uns schnell klar, dass der Laden dieses Mal direkt in der Innenstadt sein soll.“ Die Idee: Das vietnamesische Baguette, genannt Banh Mi, nach Krefeld zu bringen. „Das Banh Mi ist ein Überbleibsel aus der Kolonialzeit und die Mutter des vietnamesischen Streetfoods“, erzählt Oanh Nghuyen und erklärt weiter: „Nach dem Abzug der französischen Truppen wurde aus dem Klassiker aus Frankreich, der durch die Zugabe von Reismehl und regionalen Zutaten modifiziert wurde, eine vietnamesische Speise, die sich jeder leisten konnte.“

Als Cuc Nghuyen das Angebot für den Laden an der Wiedenhofstraße entdeckt, ist sie sofort Feuer und Flamme. Auf knapp 20 Quadratmetern verwirklicht sich die Krefelderin Ende 2019 ihren Traum von einem vietnamesischen Imbiss. Das Geschäft läuft sehr gut an – nicht zuletzt auch wegen der freundlichen Inhaberin, die für jeden Kunden ein Lächeln hat. Dann kam, nachdem der kleine Imbiss nicht mal ein halbes Jahr geöffnet hatte, Corona. Und damit einhergehend die Angst, dass das Lokal die Pandemie nicht überstehen könnte. Doch es kommt anders, wie Tochter und Mutter tief berührt berichten: „Als wir wieder öffnen durften, gab es einen großen Ansturm. Die Krefelder unterstützen uns sehr und helfen uns, das Banh Mi Bay offen zu halten“. Mit Sicherheit liegt das an dem leckeren vietnamesischen Streetfood, das Nghuyen anbietet. Aber eben auch an der ruhigen Freundlichkeit, mit der sie jeden Kunden empfängt und der spürbaren Liebe zu den Gerichten auf ihrer sorgsam zusammengestellten kleinen Speisekarte.

Warum der Banh Mi-Imbiss den Zusatz „Bay“ im Namen trägt, hat uns die sympathische Selfmade-Gastronomin übrigens auch verraten: Mit dem vietnamesischen Wort für „Sieben“ bezieht sie sich auf ihre heimatlichen Wurzeln als siebtes Kind der Familie. In ihrem Fall scheint die Primzahl, die in unterschiedlichen Kulturen entweder für Glück oder für Unheil stehen kann, eine absolute Glückszahl zu sein.

Banh Mi Bay
Wiedenhorstraße 42, 47798 Krefeld
Telefon: 02151-6006500

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Über den/die Autor/in: Sarah Weber

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Tags: , , , , , , 0 Kommentare on Von Saigon nach Krefeld: Banh Mi BayVeröffentlicht am: 3. Februar 2021Zuletzt bearbeitet: 16. Februar 2023884 WörterGesamte Aufrufe: 437Tägliche Aufrufe: 14,7 Minuten Lesezeit

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