„ICH HABE HIER DIE MÖGLICHKEIT, MICH KOMPLETT AUSZULEBEN UND ALLES MITZUGESTALTEN.“
Es ist laut und wuselig an diesem Donnerstagmittag auf dem Westwall 37-39. Während draußen viele Menschen anstehen, um sich Lebensmittel bei der Tafel abzuholen, brummt es im Inneren des Altbauhauses. Unten wird das Essen ausgegeben, von oben weht der Duft einer gekochten Mahlzeit herunter. Auf der alten Holztreppe, die in den ersten Stock führt, springen Kinder lachend umher. Immer wieder steckt eines von ihnen auch einen Kopf in den Besprechungsraum, der dem Mobifant-Team um Thomas Jansen und Aylin Colakoglu als Anlaufstelle dient. Colakoglu lacht, unterhält sich mit den Kindern und Jugendlichen und zeigt ihnen vor allem: Sie ist da für sie.
Dass es die Krefelderin mal in die soziale Arbeit verschlagen würde, war ihr nicht von Anfang an klar: „Nach dem Abitur war ich erst mal als Au-pair in Spanien. Als ich dann wiedergekommen bin, hatten alle meine Freunde irgendwie schon eine Stelle oder einen Studienplatz und ich war etwas verloren“, berichtet die 34-Jährige heute rückblickend. Daraufhin entschied sie sich, ein Freiwilliges Soziales Jahr im Helios Klinikum zu machen. Gelandet ist sie auf der Onkologie: „Das hat mich sehr stark geprägt. Im Laufe des Jahres wurde mir klar, dass ich in die soziale Arbeit gehen möchte.“ Nach einem kleinen Abstecher über Köln ging es für Colakoglu nach Wuppertal. Dort studierte sie Erziehungswissenschaft und anfangs Philosophie. Nach kurzer Zeit wechselte sie ihr Zweitfach allerdings zu Politik: „Der Wechsel war perfekt, denn so konnte ich das große Ganze sehen.“ Colakoglu interessiert sich nicht nur für das Praktische, sondern auch für die Zusammenhänge hinter der täglichen Arbeit. Ein Blick, der mitunter offenbart, wo der Schuh drückt und wo dringend Hilfe nötig ist.
Nach ihrem Bachelor-Studium kam die 34-Jährige 2016 wieder zurück in die Seidenstadt und fing beim Projekt „Tandem“ des Jugendwohnheims Kolpinghaus und des Sozialdienstes katholischer Frauen (SFK) an. Noch gut erinnert sie sich an ihren ersten Bezugsjugendlichen: „Die Geschichten hauen einen am Anfang wirklich um. Die Schicksale sind wirklich schlimm. Nach und nach weiß man aber, was man zu tun hat, um bestmöglich zu helfen“, erklärt Colakoglu. 2021 half die Krefelderin dann beim SFK mit, das Mutter-Kind-Heim auf der Lindenstraße konzeptionell zu entwickeln. Eine Arbeit, die ebenfalls viel Fingerspitzengefühl erfordert und aber auch vielen bürokratischen Begebenheiten unterliegt: „Ich wollte gerne wieder kreativer arbeiten und habe mich auch eher in der Flüchtlingshilfe gesehen.“ Deshalb hat Colakoglu 2020 angefangen, bei der Aktion Mobifant, die zum Trägerwerk Krefeld e.V gehört, auf Minijobbasis mitzuarbeiten. Einmal die Woche ist sie mit auf die Spielaktionen gefahren und hat damit etwas gefunden, für das ihr Herz brennt: „Ich liebe die Arbeit mit den Kindern total“, erzählt die Krefelderin mit strahlendem Gesicht. Und das ist offensichtlich. Egal, wann ein Kind oder ein Jugendlicher hereinkommt, Colakoglu redet ruhig mit ihm, wird von ihm akzeptiert und ist eine Bezugsperson. Jemand, dem man (ver)traut.
Als dann eine komplett neue Stelle bei Mobifant eingerichtet wurde und Colakoglu die Chance hatte, Thomas Jansen ganztägig zu unterstützen, schlug die 34-Jährige ohne zu Zögern zu: „Ich habe hier die Möglichkeit, mich komplett auszuleben und alles mitzugestalten. Es gibt Arbeitsstrukturen, in denen ich immer arbeiten wollte.“ Zwischen der Planung, Verwaltung und Organisation sind es vor allem auch die Netzwerk- und Lobbyarbeit, die ihr sehr am Herzen liegen. Mit Vehemenz setzt sich Colakoglu für die Kinder und Jugendlichen ein, die noch keine eigene Stimme haben. Sie hört ihnen zu. Aber nicht nur das ist eine der Stärken der Krefelderin. Sie liebt auch, was sie tut: „Ich liebe es, wenn wir auf den Spielaktionen einen vollen Platz haben und überall Kinder herumwuseln. Die Dynamik, die sich dann entwickelt, ist etwas ganz Besonderes“, erklärt Colakoglu mit leuchtenden Augen. Präzise beobachtet die pädagogische Mitarbeiterin, wie sich die Gefüge zwischen den Kindern innerhalb mehrerer Tage verändern: „Es ist toll zu sehen, wie die Kinder daran partizipieren, wenn wir am Ende unseres ersten Tages alle im Kreis stehen und unser Abschlussspiel machen. Am zweiten Tag sind sie dann ganz anders miteinander verknüpft.“
„VIELE VON DEN KINDERN, DIE HIER HERKOMMEN, WÜRDEN DEN GANZEN TAG DRAUSSEN VERBRINGEN. EGAL BEI WELCHEN TEMPERATUREN.“
In den Wintermonaten, wenn das Mobifant-Team nicht draußen auf den Plätzen unterwegs ist, bieten die Räumlichkeiten auf dem Westwall, die in Kooperation mit der Kindertafel Krefeld e.V. betrieben werden, eine Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche: „Hier gibt es für alle eine warme Mahlzeit und die Möglichkeit, Hausaufgaben zu machen und gemeinsam zu spielen.“ Etwas, was für viele Kinder selbstverständlich ist und es dennoch nicht ist: „Viele von den Kindern, die hier herkommen, würden den ganzen Tag draußen verbringen. Egal bei welchen Temperaturen“, weiß Colakoglu. Das, was sie und Jansen mit ihrem Team den Kindern bietet, ist für viele ein zweites Zuhause. Ein Ort, an dem sie Kind sein dürfen und sich keine Gedanken machen müssen, wo sie eine warme Mahlzeit bekommen. Es ist ein Ort, an dem Menschen wie Aylin Colakoglu für sie da sind, ihnen zuhören und ihnen zeigen, dass sie gesehen werden.
Kontakt:
Mobifant, Westwall 37-39, 47798 Krefeld
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