Die Krefelder Mundart ist auch in der Seidenstadt auf dem Rückzug. Der Sprachaktivist Heinz Webers versucht deshalb alles, um Krieewelsch wieder in alle Munde zu bringen.

„Morje es vandag al jister!“ ist Heinz Webers Lieblingsspruch. Deswegen hat er ihn sich auch auf ein T-Shirt drucken lassen. Wer als Krefelderin oder Krefelder nicht ganz versteht, was damit gemeint ist, gehört inzwischen leider zur Mehrheit. Denn die Mundart ist auch in der Seidenstadt auf dem Rückzug. Etwas einfacher dürfte die Übersetzung unseren niederländischen Nachbarn fallen. Krieewelsch (Krefelder Mundart) gehört nämlich zur gleichen Sprachgruppe. Das Wort „vandag“ gibt es fast eins zu eins im Niederländischen und heißt auf Deutsch „heute“. „Jister“ ist mit dem niederländischen „gisteren“ und dem deutschen „gestern“ verwandt. Womit wir auch schon bei der Auflösung unseres Sprachrätsels sind, die da lautet: „Morgen ist heute schon gestern!“

Alle Dieß´mer Jonges, die send juut  (Alle Dießemer Jungs sind gut)

In Heinz Webers Jugend war Krieewelsch noch gängiges Verständigungsmittel. Der 85-Jährige wurde 1935 in der Seidenstraße am Rande der Innenstadt geboren, von wo aus er als kleiner Junge zum Dießem zog. „Da habe ich dann original Dießemer Platt in mich aufgesogen“, erinnert sich Webers. „Denn in Krefeld wurde ja bei weitem nicht überall genau die gleiche Mundart gesprochen. Oedingsch Platt (in Uerdingen) oder Fischelner Platt klingen etwas anders als Krieewelsch, ganz zu schweigen vom Hölsch Platt (in Hüls), das bereits zum nördlich angrenzenden ‚kleverländischen‘ Sprachbereich gehört.“ Dass die Zeiten vorbei sind, in denen jedes Dorf seinen eigenen Dialekt pflegte, ist auch Heinz Webers bewusst. Trotzdem engagiert er sich immer noch für den Erhalt des Kulturgutes Mundart und versucht, Menschen aller Altersgruppen dafür zu begeistern.

Heinz Webers mit seinem Lieblingsspruch „Morje es vandag al jister!“

Do häß en Pösske be de Stadt  (Du hast ein ‚Pöstchen‘ bei der Stadt)

In seiner Jugend war Webers begeisterter Georgspfadfinder. Später arbeitete er als Beamter bei der Stadt Krefeld, wo er es schaffte, das Thema Mundart in die 600 Jahr-Feier 1973 einzubringen. 15 Jahre gehörte Heinz Webers dem Mundartverein „Kreis 23“ an. 1997 gründete er die Krefelder Mundartgruppe des Vereins Niederrhein – ein Jahr später den Arbeitskreis Mundart und Brauchtum im Krefelder Verein für Heimatkunde, in dem er bis 2012 Sprecher war. Für seine Verdienste wurde ihm vom Landschaftsverband Rheinland der „Rheinlandtaler“ verliehen. In der von ihm gegründeten Seidenweber Bücherei veröffentlichte der pensionierte Beamte im Jahr 2000 sein Wörterbuch Krieewelsch-Deutsch-Krieweelsch, dass auf dem 1978 von seinem Mentor Willy Hermes herausgegebenem Krefelder Mundartwörterbuch basierte. „Ich habe allerdings noch einige Wörter dazu genommen, so dass in meinem Krieewelsch-Buch jetzt etwa 5.000 Begriffe erklärt werden – und man kann auch gucken, was ein hochdeutscher Begriff auf Krieewelsch heißt.“

Krieewelsch för jruot on klieen  (Krefelder Mundart für groß und klein)

Um gegen das Verschwinden der Mundart anzukämpfen hat sich Heinz Webers immer wieder auf Bildungsprojekte eingelassen, um so die Sprache seiner Jugend an die nächsten Generationen weiterzugeben. „Unter dem Titel „Mer liere Krieewelsch“, gab er drei Jahre lang einen Kurs an der Volkshochschule. Und auch in einer Grundschule hat er sich für sein Lieblingsthema eingesetzt. Die Kleinen verstanden ihn zwar nicht, fanden den Mann, der so komisch spricht, aber trotzdem toll. „Du redest ja wie meine Oma“, bekam er einmal zu hören, und ein anderes Schulkind fragte ihn: „Können Sie denn auch mal einen Satz in Hochdeutsch sprechen?“ Ja, kann er. Aber lieber geht er mit Krieewelsch Platt auf die Bühne. Gerne auch auf Goldhochzeiten oder mal in ein Seniorenheim. „Da treffe ich dann immer mal wieder auf Menschen, die nach dem Krieg aus dem Osten geflohen sind. Die verstehen zwar nichts, finden es aber trotzdem gut, was ich erzähle“, freut sich Webers.

Nie es nix on ömmer es jett  (Nie ist nichts und immer ist etwas)

„Manchmal werde ich gefragt, ob die Mundart tot ist“, berichtet der Sprachaktivist. „Denen antworte ich dann immer: Nein tot noch nicht, aber sie liegt auf der Intensivstation. Einen niederrheinischen ‚Regiolekt‘ sprechen viele, klassisches Platt immer weniger.“ Trotz dieser Sichtweise hat es Heinz Webers noch lange nicht aufgegeben, sich für die Mundart zu engagieren. Seine „Schollstond op Krieewelsch“ bietet er interessierten Lehrerinnen und Lehrern weiter gerne an. Andere Aktivitäten wie „Ene Morje en Krieewel“ oder „Tröte, Zimm on Fackelzog“ (Mit „Zimm“ ist eine große Trommel gemeint) wurden aufgrund der Corona-Pandemie leider abgesagt. Dafür betätigt sich der Pensionär weiterhin als fleißiger Buchschreiber und hat im Herbst ein kleines Lesebüchlein mit dem Titel „En Jeföihl wie Weihnachte“ herausgeben. Ein Buch über die 22 Krefelder Ehrenbürger ist gerade erschienen. Weitere Infos, Büchertipps, Hörbeispiele und Kontaktdaten finden sich auf Heinz Webers Internetseite Krieewelsch.de. Dort wird auch über die aktuellen Aktivitäten des Krefelder Mundartkreises informiert. Heinz Webers wird jedenfalls nicht aufhören, sich mit Krieewelsch zu beschäftigen, so lange er kann, denn – nie es nix on ömmer es jett.

Heinz Webers
Seidenweber Bücherei Krefeld
Sollbrüggenstraße 78b
47800 Krefeld
Telefon: 02151-50 33 26
www.krieewelsch.de

Über den/die Autor/in: Michael Otterbein

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Tags: , , , , 0 Kommentare on Morje es vandag al jister!Veröffentlicht am: 6. Oktober 2020Zuletzt bearbeitet: 16. Februar 2023831 WörterGesamte Aufrufe: 714Tägliche Aufrufe: 24,3 Minuten Lesezeit

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