Vor zwanzig Jahren wurde die „Gläserne Königstraße“ eingeweiht. Was lernen wir aus diesem erfolgreichen Projekt für die Zukunft der Krefelder Innenstadt?
Am 25. November 2000 wurde die Überdachung der Königstraße mit großen Showeffekt offiziell eingeweiht. „Im kompletten Stadtteil wurde die Straßenbeleuchtung ausgeschaltet. Also warteten über 500 Besucher auf der stockfinsteren Straße“, erinnert sich der damalige Innenstadtkoordinator Eckhard Lüdicke. „Dann wurde feierlich gezählt, 3 – 2 – 1 – der Oberbürgermeister drückte den roten Knopf und das Licht ging überall wieder an – inklusive der prächtig strahlenden Weihnachtsbeleuchtung, die auf der frisch überdachten Königstraße bereits aufgehängt war.“ Das war der erfolgreiche Endpunkt eines beispiellosen Innenstadtprojekts, und zugleich der Startschuss für eine „Shoppingparadies“ besonderer Art, auf der sich alles tummelte, was in Krefelds Handelswelt Rang und Namen hatte. „Ein Ladenlokal auf der Königstraße konnte man nicht einfach mit irgendeinem Wald-und-Wiesengeschäft anmieten. Da musste man sich erst einmal bewerben“, so ein späterer Ladeninhaber. Die Königstraße galt lange Zeit als Inbegriff der Exklusivität. Die überdachte „Meile“ war zwar nur gut 260 Meter lang, aber der 1a-Standort neben der Hochstraße.
Ein großer Schub für die gesamte Innenstadt
Das hat sich inzwischen geändert. Die Königstraße weist zwar immer noch einige exklusive Geschäfte auf, ist aber sogar stärker von Leerständen betroffen als die Fußgängerzone Hochstraße. Besonders der Teil nahe der Marktstraße verzeichnet eine deutliche Auszehrung. Von einem Exklusivstandort kann heute nicht unbedingt mehr die Rede sein. Dabei fing alles so gut an: „Das außergewöhnliche Glasdach erzielte einen positiven Mitzieheffekt“, weiß Eckhard Lüdecke. Denn zusammen mit dem Behnisch Haus, dass etwa zur selben Zeit eröffnet wurde, brachte das Projekt der gesamten Innenstadt einen großen Schub. „Durch die neue städtebauliche Situation kamen mehr Besucher. Aus denen wurden mehr Kunden. Die Läden florierten. Die Immobilieneigentümer renovierten ihre Häuser und konnten in der Folge höhere Mieten erzielen. Alle waren zufrieden“, so Lüdecke. Zunächst zufrieden! Denn Eckhard Lüdecke bemerkt zurecht, dass man sich nie auf seinen Lorbeeren ausruhen darf. „Inzwischen haben sich die Rahmenbedingungen für die gesamte Innenstadt geändert, da kann auch die Königstraße keine Insel der Seligen bleiben. Es ist an der Zeit für ein neues Innenstadtkonzept!“
Auch in den 90er Jahren gab es Handlungsbedarf
Doch bevor wir uns mit den aktuellen Perspektiven beschäftigen, schauen wir erst einmal in die Vergangenheit – wie das Vorzeigeprojekt „Gläserne Königstraße“ entstehen konnte. Wie sah es damals aus in Krefeld? „Wer meint früher war alles besser, soll sich Innenstadtbilder aus den 90er Jahren anschauen“, erklärt Eckhard Lüdecke. „Konkurrenz durch Onlinehandel gab es noch nicht, aber baulich war die City in keinem guten Zustand. Es gab auch damals einen Abwärtstrend, dem die Stadt mit Hilfe eines „Handlungskonzepts Innenstadt“ begegnen wollte, in dem die Königstraße allerdings nicht vorkam. Die war eine nicht besonders attraktive Durchschnitts-Innenstadtstraße – mit schmucklosen Fassaden und vielen parkenden Autos.“ Die Initiative zur Umgestaltung der Königstraße ging von einer Gruppe von Immobilienbesitzern aus, die fast alle lokalen Eigentümer für das Projekt „Überdachung Königstraße” gewann und 1,4 Millionen DM Eigenmittel sammelten. „Als die Herren Bauer und Lichtenberg auf die Stadt zukamen, hatten sie bereits fast alles durchdacht und vorbereitet. Die standen mit einer fertigen Architektenskizze bei mir im Planungsamt. Da konnten wir kaum noch nein sagen“, berichtet Lüdecke. „Also wurde die Königstraße in Handlungskonzept und Förderprogramm aufgenommen, und ich bekam die Stabsstelle als „Innenstadtkoordinator”.
Bauarbeiten von gut abgestimmten Marketingkonzept begleitet
Der Grundgedanke der neuen Überdachung war, die „üblichen 50er und 60er Jahre” Fassaden zu kaschieren und zugleich ein „Einkaufen ohne Regenschirm” zu ermöglichen. Um Gebäudeschäden zu vermeiden, sollte die gläserne Überdachung ohne Kontakt mit dem Gebäude neben die Fassaden gestellt werden. So geschah es dann auch: Anfang 1999 begann die Bauphase – zunächst mit Tiefbau und Straßenarbeiten. Dann würden Stützen gesetzt und Glasdächer montiert. „In der Königstraße wurden zuerst alle Leitungen erneuert und der komplette Straßenbelag ausgetauscht“, erinnert sich der damalige Innenstadtkoordinator. „Die Bauarbeiten haben wir mit einem gut abgestimmten Marketingkonzept begleitet. Um die Auswirkungen auf die Einzelhändler zu verringern, haben wir vor den Geschäftseingängen rote Teppiche ausgelegt. Es gab Bürgerinfos, Vorträge, ein Filmprojekt und es wurde ein Königstraßen-Logo entwickelt, dass noch heute auf der Überdachung prangt, so Lüdecke. Insgesamt wurden für die Überdachung 68 Stützen in 7,50 Meter Abstand gesetzt. Die Gesamtkosten betrugen 4,8 Millionen DM, wovon 500.000 DM Landefördermittel waren.
Klares Bekenntnis für die Innenstadt als Herz der Kommune
Und wie geht es im Jahr 2020 weiter? „Die Frage nach der aktuellen Attraktivität der Krefelder Innenstadt beantwortet sich durch einen Stadt-Spaziergang und einen Blick auf die aktuellen Rankings“, stellt Eckhard Lüdecke fest. „Was fehlt, ist ein wirklich identitätsstiftendes Innenstadtkonzept. Sauberkeit und Sicherheit setze ich im öffentlichen Raum voraus!“ Der ehemalige Innenstadtkoordinator vermisst ein klares Bekenntnis der Stadtspitze für die Innenstadt als „Herz der Kommune“. Als Pflichtprogramm für eine attraktive Innenstadt sieht er gepflegte Grünanlagen und eine gute Erreichbarkeit mit allen Verkehrsarten. „Den Handlungsdruckhat aktuell auch die Interessengemeinschaft (ISG) Königstraße erkannt und in einem Brainstorming wieder einmal neueIdeen gesammelt“; berichtet Lüdecke. „So ist unter anderem geplant, eine Ladestation für E-Autos sowie Fahrradstellplätze unmittelbar vor den Läden einzurichten. Dazu will man die in die Jahre gekommene Optik grundlegend auffrischen, und auch das vorhandene Königstraßen-Logo überarbeiten.“
Die Stadt braucht mehr Willkommenskultur
Für die gesamte Krefelder Innenstadt wünscht sich Eckhard Lüdecke einen kurzen, aber effektiven, Innenstadtdialog, der schnell zu konkreten Maßnahmen führt. „Als erstes würde ich mir Gedanken über die ‚Willkommenskultur‘ der Innenstadt machen“, so Lüdecke. „Dafür könnte man die Eingangstore der Innenstadt (also zum Beispiel dieTunnel Gladbacher und Kölner Straße) neugestalten und farbig beleuchten und den Ostwall vom Hauptbahnhof bis zum „UdU“ mit einem großzügigen Blumenband versehen. Eine Innenstadt ist heute nicht mehr nur Einkaufsort, sondern Bühne für das städtische Leben – von der Außengastronomie bis zu Musik- und Kulturaktivitäten. Dafür müssen Aktionsräume geschaffen und die Akteure unterstützt werden. Nachdem die Corona-Beschränkungen beendet sind, ist es die wichtigste Aufgabe der Stadt, wieder mehr Leben in ihre Mitte zu bekommen“, betont der Planungsprofi. „Ich sehe für Krefeld immer noch gute Chancen, die allerdings auch genutzt werden müssen. Und als geborener Krefelder glaube ich, dass unsere Stadt es verdient hat!“
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