Es gibt Berufe, die sterben irgendwann aus oder gehen im Laufe der Zeit mit völlig veränderten Voraussetzungen einher – oft sind es solche, die aufgrund der Expansion eines Wirtschaftszweiges erst massig gebraucht und dann ebenso schnell obsolet werden, oder jene, die von einer analogen in eine digital-optimierte Form überführt werden müssen. Wer um Krefelds wirtschaftliche Vergangenheit, aber auch die anderer Großstädte am Niederrhein, weiß, ahnt vielleicht, in welcher Branche Designerin Marion Opitz gelernt und gearbeitet hat, ehe sie sich dem Medizinbereich zuwandte: Die Wahlkrefelderin ist gelernte Textilmustergestalterin.
Nach ihrer Ausbildung in Mönchengladbach war sie in verschiedenen Ateliers tätig, gestaltete zunächst noch händisch Verzierungen und Dessins für Textilgewebe. Als mit der 2000er-Wende der PC-Boom einsetzte, musste Marion ihre Kreativität auf digitaler Leinwand walten lassen. „Das war aber nie so meine Richtung. Zwar musste man damals auf das ‚Pferd PC‘ aufspringen, weil man nur so weiterkam, aber ich bin nicht der Typ, der nur am Rechner sitzt. Pinsel und Stift müssen einfach sein. Oder eine Kombination aus analog und digital“, erklärt sie. „Durch den Pinsel und den Stift kannst du viel mehr von dir preisgeben als bei einer rein digitalen Arbeit.“
Obwohl sie nach dem Ende ihrer textilen Berufslaufbahn in ein vollkommen anderes Tätigkeitsfeld gewechselt hat – heute arbeitet Marion als Anästhesieassistentin für verschiedene Krankenhäuser – ist sie nach wie vor leidenschaftlich kreativ tätig. Schon beim Betreten des Hauses in Krefeld-Bockum, das die herzlich-humorvolle 47-Jährige gemeinsam mit ihrem Mann, der gemeinsamen Tochter und Hund Hiro bewohnt, springen die ersten Bilder ins Auge. Es gibt kaum eine Wand ohne bunte Farbtupfer und verspielte Formen. Entstehen tun sie in Marions Keller-Atelier, wo die schaffensfreudige Grafikerin und Illustratorin einen Großteil ihrer Freizeit verbringt. „Kreativität ist kein Hobby, sondern eine Lebenseinstellung. Ich kann nicht ohne. Deshalb habe ich auch meinen Hauptjob reduziert. Eine ganze Weile lang habe ich immer nur nachts gestaltet“, erzählt sie und lacht augenzwinkernd: „Aber das hat mir auf Dauer nicht gereicht; ich wollte ganz gerne auch mal bei Tageslicht malen und genug schlafen.“
Von den Kellerwänden schauen viele Tiere die Besucherinnen und Besucher an, die Marion unter anderem zu offenen Ateliersonntagen in ihre vier Wände einlädt. Niedlich-glubschäugige Frösche, kleine Katzen, freche Hunde, ein Oktopus – Flora und Fauna sind wichtige Motivwelten in Marions Arbeit, oft kombiniert mit Typografie. Sie selbst ist ein künstlerisches Chamäleon. Unterschiedlichste Materialien, Werkzeuge und Skizzen zeugen von abwechslungsreichen Projekten. Ein Bereich, dem sich Marion besonders begeistert widmet, ist das Upcycling: Aus alten Holzstücken, Buchseiten und Illustrationen erschafft sie verspielte Mini-Kunstwerke. Für ihre neueste, sehr reduzierte monochrome Bilderreihe wiederum verarbeitet sie alte Stoffe – eine kleine Rückkehr in ihre berufliche Vergangenheit. Aber auch ein bewusster, meditativer Schritt. „Die Coronajahre waren schon sehr anstrengend, es war alles sehr viel. Indem ich mich jetzt mit klaren Farben und Linien befasse, fahre ich runter“, sagt sie.


Ihren Einfallsreichtum teilt Marion auch gerne mit anderen – in Form von Workshops, die sie derzeit in Neukirchen-Vluyn anbietet, aber auch mithilfe von DIY-ArtBoxen, die es unter anderem im kredo MAAT zu erwerben gibt. Darin enthalten sind Anleitungen und Materialien für kleine Bastelprojekte wie Post- oder Grußkarten.
Neben der analogen Arbeit im Kreativ-Keller ist Marion weiterhin im Grafikdesign tätig, designt beispielsweise eigene Kalender und hat jüngst das Etikett einer Sonderedition der Krefelder Marke ReGINerate zum 650-jährigen Stadtjubiläum gestaltet. Die Flasche zeigt den Ponzelar, zusammengesetzt aus textilen Mustern. Wieder so eine kleine Hommage an den Stoff, der früher Marions Arbeitstag bestimmte. Auch ein eigenes Projekt hat sich die Künstlerin anlässlich des Jubiläumsjahres überlegt: Eine Bilderreihe mit Krefeld-Bezug, die sie zunächst bei Coiffeurteam Munz und im Wald Café an der Hüttenallee ausstellen wird. Hier begegnen einem alte Bekannte, Orte wie Menschen. Der erste ist – natürlich – auch hier der gute Meister Ponzelar, das Sinnbild unserer seidenen Vergangenheit.
Marion Opitz
Paul-Schütz-Straße 25, 47800 Krefeld
wild-and-child.sumupstore.com
marion_opitz@web.de
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