Fragt man „die Deutschen“, was sie täglich nach dem Aufstehen tun, dann sind sich die meisten einig, dass das Zähneputzen zum Start in den Tag gehört, direkt gefolgt vom Anziehen frischer Unterwäsche. Ähnlich wichtig ist uns laut Statistik eine Tasse Kaffee. Knapp 170 Liter jährlich trinken wir pro Kopf – und damit ist Kaffee hierzulande sogar beliebter als Bier. Naheliegend also, dass zwei junge, tatkräftige Krefelder mit Unternehmenserfahrung und Lust auf Neues sich ein Kaffee-Start-up als Geschäftsmodell vorgenommen haben. Im Hinterhof eines frisch sanierten Hauses an der Bahnstraße haben sie mit „vierwall“ ihre eigene Spezialitäten-Rösterei gegründet.

Tim und Michi kommen eigentlich aus dem kaufmännischen Bereich und haben beide Studiengänge mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund abgeschlossen. Michi haben unsere Leser:innen auch schon als Gründer der Streetwear-Marke kr.city kennengelernt. Die beiden Männer, die sich über gemeinsame Bekannte schon seit der Schulzeit kennen, zieht es nach einigen Jahren in ihren erlernten Berufen weg aus dem Angestelltendasein und hin zu einem selbstständigen Projekt. Michi hat durch kr.city, das er gemeinsam mit seiner Frau Vanessa betreibt, bereits Erfahrung darin, ein eigenes Unternehmen aufzubauen.
Liebhaberei trifft Gründergeist
„Ich wusste immer, dass Tim auch gerne was Eigenes machen würde. Im Ideensparring haben wir gemerkt, dass Kaffee eine gemeinsame Leidenschaft von uns beiden ist“, erzählt der 33-Jährige, nachdem er mir zur Begrüßung einen Test-Cappuccino der hauseigenen Sorte „Limoncello“ hingestellt hat. Kennst du noch diese Jacobs Krönung-Werbung – die, wo jemand an einem sonnigen Morgen in einem Einfamilienhaus Kaffee kocht und den duftenden Dampf Richtung Schlafzimmer wedelt, wo Person zwei entzückt schnuppernd aus ihren Träumen erwacht? So, nur viel besser, kann man sich den Duft vorstellen, der meinen Start ins Interview begleitet. Und dieser Kaffee riecht nicht nur herrlich, er schmeckt auch so.
Dass Michi und Tim überhaupt in der Lage sind, so auffallend schmackhaften Kaffee herzustellen, hat zwei Jahre des Lernens und Testens gebraucht. Die beiden haben sich in Deutschland und der Schweiz als Röster ausbilden lassen und diverse Sensorik- und Barista-Schulungen absolviert. In dutzenden „Testfahrten“ haben sie gelernt, ihre Röstmaschine so einzustellen und zu bedienen, dass das optimale Geschmackserlebnis aus jeder einzelnen Bohne herausgekitzelt wird.
Probat geröstet
Das elegante schwarze Gerät der Marke „Probat“ steht im hinteren Teil der frisch sanierten Rösterei. Es sei „das Appleprodukt unter den Röstmaschinen“, lacht Michi. „Das Ding ist komplett digital, alle Prozesse werden festgehalten, wenn also einmal eine perfekte Röstung dabei ist, kannst du diese reproduzieren.“ Bis es so weit ist, gehen allerdings viele Kilo Bohnen durch die Heißlufttrommel – und entsprechend viele Liter Testkaffee durch die Geschmacksprüfung der beiden. Sind sie mit einer Röstung zufrieden, lassen sie sie zusätzlich noch von den Kaffee-Coaches prüfen, die ihnen im Rahmen der Aus- und Fortbildung ihr Handwerk vermittelt haben. Auch Freunde und Familie dürfen zwischendurch Probetrinken. „Cupping“ nennt man sowas in der Kaffeewelt. Auf lange Sicht wollen sie diese Verkostungen auch als Events für interessierte Kundinnen und Kunden anbieten. Erst einmal liegt Michi und Tim jedoch daran, ihr Start-Portfolio aus sieben Sorten fertigzustellen. Fünf stehen bereits, zwei weitere befinden sich im Feinschliff.
Beste Bohnen
Für ihre Kaffees verwenden die vierwall-Gründer nur sogenannte Specialty Coffees. Dieses Prädikat erhalten Bohnen, die auf dem SCA (Specialty Coffee Association) Score, der internationalen Güteskala für Kaffees, mindestens 80 von 100 möglichen Punkten erreichen. Die Güteklasse der Bohnen hängt unmittelbar mit ihren Anbaubedingungen zusammen. Im Grunde sei das vergleichbar mit Wein, erklärt Tim: „Wie gut ein Kaffee ist, hängt stark von seiner natürlichen Umgebung ab, zum Beispiel vom Boden, auf dem er wächst, oder den klimatischen Bedingungen.“ Und natürlich spielt auch die Situation der Farmer eine entscheidende Rolle. Nur, wer für seine Arbeit ausreichend vergütet wird, kann es sich leisten, Klasse statt Masse zu produzieren. „Die Kaffees, die wir verwenden, liegen weit über dem Preissegment eines Supermarkt-Kaffees. Sie stammen von ausgewählten namhaften Farmen und Kooperativen aus Mittel- und Südamerika, Afrika und Ozeanien.




Unsere Kaffees reichen von ‚Single Origins‘, das sind Kaffeebohnen, die ausschließlich aus einer bestimmten geografischen Region oder einem spezifischen Anbaugebiet stammen, bis hin zu ‚Blends‘, also Kaffeebohnen unterschiedlicher Herkünfte, die sorgfältig kombiniert werden, um ein bestimmtes Geschmacksprofil zu erreichen. Diese Mischungen können aus Bohnen verschiedener Länder, Regionen oder sogar verschiedenen Röstgraden stammen“, beschreibt er weiter. „In einem klassischen Supermarktkaffee hast du zum Teil hunderte verschiedene Kaffees von verschiedensten Farmen zusammengemischt, die in kürzester Zeit sehr heiß geröstet werden und somit viele Aromen verlieren. Wir rösten im schonend bei maximal 215 Grad und versuchen für ein besonderes Geschmackserlebnis das natürliche Aroma der jeweiligen Bohne zu erhalten.“ Abgepackt werden die fertigen vierwall-Bohnen nach mehrtägigem „Ausgasen“ – so nennt man das Abkühlen und Lüften nach der Röstung – von Hand.
Kaffeekranz im Vierwall-Café?
Erstmal möchten Tim und Michi sich mit ihrer Marke als Produktionsbetrieb etablieren. Besonders freuen würde sie es, wenn ihre Kaffees auf den Karten lokaler Cafés und Restaurants auftauchen würden. Auf lange Sicht liebäugeln die frisch gelernten Barista aber auch mit einer eigenen kleinen Gastronomie. Da kommt es jetzt ganz darauf an, ob die Krefelderinnen und Krefelder ebenso kaffeedurstig sind wie der bundesdeutsche Durchschnitt.
Vierwall Kaffee
Bahnstraße 24
47799 Krefeld
vierwall-kaffee.de
@vierwall.kaffee
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