Markus Maria Jansen ist ein Krefelder Urgestein. Naja, wenn wir es ganz genau nehmen, wünschen wir uns eigentlich nur, dass er das ist. Eigentlich aber verbrachte er die ersten Jahre seines Lebens in Hamburg und kam erst zum Studium in die Hochschulstadt. Aber, und das wird niemand abstreiten, der Kreativkopf ist heute von Krefeld nicht mehr zu trennen – und seine Karriere auch nicht. Als er mit „M. Walking on the water“in den 80er Jahren als Musiker bekannt wurde, hatte er sich in Krefeld schon so stark verwurzelt, dass sowohl das erste als auch das letzte Konzert jeder Tour immer in unserer Stadt stattfinden musste. Und dass seine Arme inzwischen noch nicht mit den Holztischen des Blauen Engels verwachsen sind, liegt nur daran, dass Tische eben von Grund auf nicht wachsen können. Einigen wir uns also darauf: Markus Maria Jansen ist ein waschechter Krefelder.
Weil seine Biografie in ihren Hardfacts schon zig Mal erzählt wurde, seine Geschichte aber auch im kredo natürlich nicht fehlen darf, haben wir mit Jansen das gemacht, was er nach Musik und Kunst am drittbesten kann. Wir haben ihn einfach erzählen lassen. Auf ein paar Anekdötchen mit Markus Maria Jansen:
Die erste Gitarre
„Ja, wie bin ich zur Musik gekommen, da fragst du mich was“, sagt Jansen und fährt sich mit den Fingern durch die dunklen Haare, während die Zigarette in seinem Mundwinkel kurz aufglimmt. „Das war durch die Schallplatten bei meinem Vater im Schrank – aber eigentlich durch ein Konzert von Wishbone Ash.“ Jansen wollte danach unbedingt das Gitarrenspielen lernen. Zuerst besorgte er sich eine akustische und schaute sich einige Griffe bei seinen musikalischen Freunden ab. Gert war da zum Beispiel einer, der ihm half. Nach einiger Zeit entdeckte er in der Fundgrube des Versandhauses Otto an der Straßenecke eine E-Gitarre für 150 Mark. „Ich bekniete meinen Vater so lange, bis er sie mir geschenkte“, erinnert er sich und lacht. „Tja und dann habe ich zwei alte Röhrenradios zusammengeschlossen und meine Familie genervt. Die Dinger sind nicht nur lauter als gedacht, sondern auch gefährlicher. Irgendwann habe ich davon einen ganz schönen Schlag mitbekommen.“
Gert und die essigsaure Kellershow
Gert war nicht nur einer von denen, der Jansen zur Musik brachte, sondern in der Jugend auch ein echt guter Freund. Als es bei Gert zu Hause nicht mehr lief und der Vater des Freundes Klamotten und Gitarren des jungen Erwachsenen mit Lebensmitteln aus dem Einmachglas übergoss, zog er bei Jansen und seinem Vater ein. „Das war schon damals eher so ´ne Wohngemeinschaft“, erinnert sich der Musiker. Als Jansen dann zwei Jahre lang versuchte, an der Hochschule für bildende Künste Hamburg aufgenommen zu werden und immer wieder scheiterte, jobbten die beiden zusammen bei Essen auf Rädern. Von den ersten Gehältern kauften sie sich ein Portastudio mit einem vierspurigen Kassettendeck und nahmen Songs auf. Immer wieder versuchten sie sich auch an Bob Dylan-Covers. „Aber das war eher schrecklich“, sagt Jansen. Und dennoch wollten die beiden irgendwann zusammen ihr erstes Konzert geben. Sie überlegten sich dafür in Jansens Keller ein aufwendiges Bühnenbild, hingen eine Plastikfolie an die Decke und platzierten die mit Essig getränkten Gitarren dahinter. „Die waren ja schon kaputt und rochen außerdem ziemlich sauer, aber wir wollten sie auf der Bühne im Rahmen der Show nochmal zertrümmern“, erinnert sich der Krefelder. Vor Freunden drehten sie die Verstärker auf und präsentierten elektronische Gitarrenmusik. Zum Ende der Show kam das große Highlight: Nicht nur die Gitarren mussten dran glauben, sondern auch der transparente Plastikfolien-Vorhang, den sie mit Spraydosen besprühten. „Das stank so sehr, dass alle Zuschauer das Weite suchten“, sagt Jansen und stößt lachend den Zigarettenrauch aus der Lunge. „Joa, dann spielten wir den letzten Song eben nur noch vor meinem Hund. War ein toller Abend.“
Herbert Grönemeyer und die Sechsrichtigen
Schon während seines Grafikstudiums an der Hochschule Niederrhein verdiente Jansen mit Kunst und Musik Geld. Wenn die Semesterferien anstanden, zog er unter der Formierung „Die Sechsrichtigen“ mit einem Bauwagen und einem Traktor durch die Weltgeschichte. Als absurdes Musiktheater theatre du pain mit Anzug und Aktentaschte zeigten sie auf der Straße „dadaistischen Perfomance-Kunst-Wahnsinn“. „Nie war es so leicht, Gigs zu bekommen wie in dieser Zeit“, erinnert sich der heute 64-Jährige. „Du wurdest auf der Straße angequatscht, und dann spieltest du abends in Kneipen oder auf großen Bühnen.“ So oder so ähnlich landeten „Die Sechsrichtigen“ irgendwann auch auf einer richtig großen Bühne. Vor 100.000 Zuschauern spielten sie mit Musiklegenden wie Rio Reiser oder den Toten Hosen auf dem „Anti-WAAhnsinns-Festival“ im bayrischen Burglengenfeld als Protest gegen die geplante Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf. Auch Herbert Grönemeyer stand hier auf der Bühne. „Den habe ich vor seinem Auftritt getroffen, und er trat immer und immer wieder gegen einen LKW-Reifen. Da hab’ ich gefragt: ‚Was hasse denn?‘ und er meinte ‚Ich bin vor Gigs immer sau aufgeregt‘“, schildert Jansen. „Nach dem Gig hab’ ich ihm dann unsere ersten M. Walking-Demos in die Hand gedrückt.“ Und wenige Monate später wurde nicht nur Herbert Grönemeyer ein Fan, sondern die Band in ganz Deutschland bekannt.
Die Soldaten mit den Blümchen
Zwei Jahre nacheinander reiste „M. Walking on the water“Anfang der 80er für das Goethe-Institut im Rahmen ihrer Tour durch die Weltgeschichte. Die Musiker machten dabei auch in Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Kirgisistan und Tadschikistan Halt. Für Jansen war es die verrückteste Zeit seiner Karriere. Hunderte Anekdötchen könnte er davon erzählen – über Grenzkontrollen mit Gewehren und Gitarren, den Tag, an dem er fast von einem Skorpion gebissen wurde, oder dem Auftritt in einem alten Kino, an dem sie vor dem Auftritt erstmal die Musikanlage wieder zusammenlöten mussten und anschließend auf den Rängen Soldaten in Uniform tanzten und ihnen dabei Blümchen auf die Bühne schmissen. „Uns fehlte nur noch der Gewehrlauf, um die da reinzustecken“, sagt er und prustet beim Lachen wieder kleine Rauchwölkchen aus dem Mund. „Das war so skurril.“
Jansen in der Animierbar
Mit Absicht skurril hat er um die Jahrtausendwende auch eine Gigreihe mit seiner Band „Jansen“ organisiert. Hinter dem Kaufhofparkplatz gab es damals die Animierbar „Madame Kokett“, die Jansen ein Jahr lang an jedem ersten Montag im Monat ab 22 Uhr mietete. Dann luden die Musiker Freunde wie Sven Regener von „Element of Crime“ein, um auf der klitzekleinen Bühne auf zwei Quadratmetern im Rotlicht die hübsch vergitterten Séparées einzuheizen. „Die schweren, samtigen Vorhänge hatten wir zur Seite geschoben, und so passten ungefähr 70 Leute in den Saal“, erinnert sich Jansen. „Die Bude war rappelvoll. Sowas vergisst man nicht.“
Von Anekdötchen zu Anekdötchen
Jansen könnte noch zig solcher Geschichten erzählen; zum Beispiel, wie sein letztes Album mit Jansen zum Namen „Baby Beuys und die Rücksichtlosigkeit der Hasen“kam und was ein länglicher Kieselstein vom Rhein damit zu tun hat. Oder wie er irgendwann mit „M. Walking on the water“Schlagzeugverstärkerkabel aus seinem Krefelder Keller durch den Schornstein in den Dachboden verlegte, um hier ein Album aufzunehmen. Oder wie er im Blauen Engel mit Schauspielerin Jenny Kornprobst ins Gespräch kam, „weil die so grimmig guckte“ und er infolgedessen nicht nur für das Krefelder Theater Musik schrieb und Bühnenbilder konzipierte, sondern auch im Theater in Tübingen landete. Oder wie er im letzten Jahr zufällig mit seiner Frau Maike, einer Krefelder Textilkünstlerin, über ein Ladenlokal stolperte und hier eine Galerie eröffnete. Oder, oder, oder. Irgendwann wäre die erste Zigarettenpackung leer und Bier oder Wein würden den Kaffee ablösen. Auch dann würde der Zuhörer noch immer aufmerksam an seinen Lippen kleben und sich wünschen, dass Jansen noch ein Anekdötchen anreiht. Denn, egal ob mit Musik, mit Kunst oder eben mit Wort: Im Geschichtenerzählen ist Markus Maria Jansen Profi.
mehr kredo, mehr lesen – weitere interessante Inhalte
Zum stöbern
Ein zufälliger Beitrag aus unserem Fundus: