Wer mit Leonhard Munz und Julian Pohlmann an einem Tisch sitzt, kann sich im Grunde zurücklehnen – denn die zwei gutgelaunten bärtigen Jungs in roten Jogginghosen sind derart unterhaltsam, dass jede Geschichte podcastreif wäre. Wie Zwillinge erzählen sie voneinander, miteinander, beenden die Sätze des anderen und tragen die rheinische Frohnatur ebenso auf der Zunge wie unverblümte Anekdoten. Genau diese Gabe nutzen „Lenny“ und „Pohlmann“, wie sie von Freunden und Bekannten genannt werden, seit einigen Jahren für eine Karriere der etwas anderen Art. Die zwei Kliedbrucher performen sich ihren Weg an die Spitze der Ballermann-Welt und gehen bereits als Act im legendären Bierkönig ein und aus. Der Name des Duos ist Programm: Specktakel. Wir treffen uns in der Krefelder „Base“ der beiden – dem Schwimmverein SVK – und führen ein buntes Gespräch über Jugendtage als freche Wasserratten, ein Leben zwischen den Flughäfen, korrupte Schlagersänger und die Kunst des Malle-Hit-Textens.

Julian Pohlmann (l.) und Leonhard Munz (r.) hätten auch Profi-Wasserballer bleiben können, oder ihren Ausbildungsberufen nachgehen. Stattdessen haben sich die gebürtigen Kliedbrucher entschieden, eine Schnapsidee zur Karriere werden zu lassen: die zwei Freunde starten als Ballermann-Stars durch.
Zuhause im Schwimmclub
„Das hier war der Startpunkt für unsere gesamte Laufbahn“, erzählt Lenny und blickt von der Terrasse der Clubgastronomie liebevoll übers 50-Meter-Becken. „Hier haben wir uns kennengelernt, beim Wasserball.“ Die beiden Krefelder, die knapp fünf Jahre Altersunterschied trennen, wachsen am Dahler- und Josef-Brocker-Dyk auf, von wo aus sie im Sommer nach dem Unterricht jeden Tag schnurstracks zum Schwimmbad radeln. Das Wasser bildet eine Konstante in ihrem sonst eher wechselhaften Schul-Alltag. Während Lenny nach der Grund- auf die Marienschule geht, nach der versetzungsgefährdeten 7. Klasse auf Horkesgath die Mittlere Reife macht und am Vera Beckers sein Abitur mit den Hauptfächern Sport und Biologie absolviert, beginnt die weiterführende Schullaufbahn für Pohlmann direkt an der Realschule im Westen der Stadt. „Da bin ich dann ‚gegangen worden‘, mit dem schlechtesten Realschulabschluss, den man kriegen kann und hab auf dem Vera Beckers angefangen“, gibt er zu und lacht. Danach Fachabi in Elektrotechnik und Physik auf dem Berufskolleg Uerdingen. Später lässt er sich zum Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung ausbilden und studiert in Berlin vier Jahre Umweltingenieurwesen im Bau. Dem Abschluss kommt die Ballermann-Karriere in die Quere – aber dazu später. Lenny wird währenddessen Gas- und Wasser-Installateur. „Gas-Wasser-Scheiße!“, ruft Pohlmann vergnügt, „Da bestehen wir drauf!“
„Wir haben früher ständig auf den Deckel gekriegt, weil wir so unverschämt waren.“
Die Qual der Berufswahl
Musik hätten sie schon als Kinder gemacht, der eine Gitarren- und Schlagzeug-, der andere Klavier- und Gesangsunterricht genommen. Allerdings habe das, genauso wie der Schulunterricht, immer hinter dem Wasserball angestanden. Auch dort fallen die zwei schon als „Stöppken“ durch ihr freches Mundwerk auf. „Wir haben damals ständig auf den Deckel gekriegt, weil wir so unverschämt waren“, erinnern sich die zwei und grinsen. Nichtsdestotrotz werden sie in ihrem Sport ziemlich erfolgreich, verbringen die Sommerferien im Trainingslager, spielen in der NRW-Jugend und der Bundesliga, später sogar im Nationalkader. Aber auf Dauer wird der Aufwand für den Wasserball neben der Ausbildung zu viel. „Ich hab’s immer geliebt, in einer Mannschaft zu spielen, aber ich hasse Sport“, erzählt der 27-Jährige und muss bei diesen Worten selber schmunzeln. „Und der Trainingsaufwand, ohne daran nennenswert zu verdienen, ist ab einem bestimmten Alter echt schwierig. Dann muss man sich entscheiden: Werde ich richtiger Profi oder lasse ich es?“ Die beiden Freunde wollen was von der Welt sehen, aus dem Mikrokosmos zwischen hartem Training und nicht wirklich erfüllendem Ausbildungsalltag raus. Wie und wohin, das wissen sie damals selber nicht so genau.
Eine Schnapsidee wird Realität
Den Weg Richtung Baleareninsel schlagen Lenny und Pohlmann nach einer Intervention ihrer Eltern ein. „Ich war in Berlin studieren, 2016, da krieg ich eines Abends ’nen Anruf von meiner Mutter: ‚Wir haben hier zusammengesessen und mal überlegt, was aus euch noch werden könnte. Mit eurem Talent, Mist zu labern, müsstet ihr mal irgendwat machen‘“, erinnert sich Pohlmann amüsiert. „Da stand unter anderem Kabarett im Raum. Ein paar Wochen später haben wir zu Weihnachten Tickets für den Ballermann-Award 2017 bekommen.“ Aus Jux überlegen sich die zwei, den Bandnamen „Specktakel“, lassen am Tag der Veranstaltung Bandshirts drucken „und dann sind wir dahingefahren und haben allen gesagt, dass wir jetzt auch Ballermannsänger werden. Sonst hatten wir nichts“, lacht Lenny.
Und obwohl das Ganze ein großer Witz ist, lässt der erste Hit nicht mehr lange auf sich warten. Bei einem Besuch in Hamburg schnappt er auf, wie jemand sagt: „Wie heißt die Mutter von Nikki Lauda? Mamma Lauda!“ Und da ist er, der Songtitel mit Hit-Potenzial.
Bewaffnet mit Pils und Schnaps machen sich Lenny und Pohlmann also an Text und Melodie, googeln das Aufnahmestudio von Micky Krause und finden Xtreme Sound. Sie schicken eine Mail mit dem Songtext und einer Handyaufnahme der Melodie. Und dann warten sie. Monate passiert nichts. „Ich sag’s dir, wie es ist. Hätten die damals gesagt ‚Der Song ist nix‘, dann wären wir halt keine Ballermannsänger geworden. Das war ja alles ´ne Schnapsidee, wer rechnet denn damit?“, erinnert sich Lenny.
Doch plötzlich ruft Studiochef Michael Röttges dann doch an. Und mit dem Anruf beginnt nicht nur der Einstieg der beiden Unbescholtenen ins Ballermann-Showgeschäft, sondern auch ihr Eintauchen in fragwürdige Strukturen der Musikbranche. „Hier kommt jetzt die Geschichte mit dem Almklausi“, eröffnet Lenny vielsagend.
Der Haifisch von der Alm
Eine Sache hätten sie sich geschworen: Wenn wir mit jemandem unter keinen Umständen zusammenarbeiten wollen, dann mit dem. Aber genau das verlangt Studiochef Röttges. Und als Einsteiger aufmucken? Keine gute Idee. Also ein Feature. Der Song wird getrennt aufgenommen. Was sich später herausstellt: Der schon etablierte Almklausi testet „Mamma Laudaaa“ im Hintergrund bereits fleißig auf der Bühne aus – und verbindet so das Lied, das in der Szene ziemlich erfolgreich wird, untrennbar mit sich. Sowas, das wissen Lenny und Pohlmann heute, ist leider gängige Praxis.
Versuche der beiden, trotz der Enttäuschung über die Situation mit ihrem Kollegen in Kontakt zu treten, beantwortet dieser wenig kooperativ. Er versteht die Branche als Haifischbecken und bleckt die Zähne. Immerhin schaffen es Specktakel durch den Song in den Bierkönig und machen sich Fans. Dennoch bleibt ein bitterer Beigeschmack, den selbst zwei Frohnaturen wie Lenny und Pohlmann nicht so schnell herunterschlucken können. „Ein richtig großes Ding will ich noch mal haben, um das Thema abzuschließen“, sagt Pohlmann nun etwas ernster. Aber die Hits wüchsen nun mal nicht auf Bäumen, meint Lenny, und ein guter Text für Malle sei nicht so einfach geschrieben, wie man vielleicht denke. „‚Geh mal Bier hol’n, du wirst schon wieder hässlich. Auf sowas musst du erstmal kommen!“
Neue Saison, neuer Song
Ein Gutes habe der etwas getrübte Einstieg in die Malle-Welt, der durch Corona in den letzten zwei Jahren zusätzlich stark ausgebremst wurde, jedoch gehabt: Die Lernkurve sei dadurch steil nach oben gegangen. Heute sind Specktakel bei Peter Brückner unter Vertrag. Seine Frau Mia Julia ist selbst eine Größe der Branche, die die Jungs in diversen Songs featured. Nach dem eher ruhigen Winter startet für Specktakel jetzt wieder die Hauptsaison. In den nächsten Wochen werden sie viel unterwegs sein – inklusive neuer Single im Gepäck.
Auf der Bühne sind Lenny und Pohlmann in ihrem Element wie die Fische im Wasser, reißen den Schwarm des Publikums mit – und beweisen, dass man kein Hai sein muss, um in diesem Becken ganz vorne mitzuschwimmen. Wer gute Laune braucht, ist hiermit eingeladen, sich mal eines der Specktakel-YouTube-Videos anzuschauen. Wer da nicht mindestens schmunzeln muss, der sollte die Mucke vielleicht mal laudaaa machen.
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