Obschon eine der bedeutendsten Kunsthandlungen Krefelds bereits seit über 25 Jahren in der Seidengalerie existiert, ist die Galerie des pensionierten Krefelder Kriminalkommissars Egon Heidefeld noch längst nicht jedem bekannt.

In der nur wenig von Laufkundschaft frequentierten Seidengalerie, die den Ostwall mit der Petersstraße verbindet, befindet sich eine der bedeutendsten Kunsthandlungen Krefelds. Obschon sie bereits seit über 25 Jahren an diesem Standort existiert, ist die Galerie Heidefeld noch längst nicht jedem bekannt, denn sie liegt etwas abseits vom geschäftigen Citytreiben und verzichtet darauf, durch auffällige Außenwerbung auf sich aufmerksam zu machen.

In seinem „Hauptquartier“ sitzt Kunstliebhaber Egon Heidefeld auf einem eleganten blauen Sessel und begutachtet Dokumente. In blütenweißem Hemd und ordentlich sitzendem Cord-Sakko. Durch die offene Tür trägt ein Künstler, unterstützt von einem Mitarbeiter des Galeristen, großformatige Fotodrucke in den verglasten Raum, wo sie bald temporär ausgestellt werden sollen. Wer Egon Heidefeld trotz des Geschehens so in seine Papiere vertieft beobachtet, mag denken, dass den 67-Jährigen selbst ein Überfall nicht aus seiner Konzentration reißen könnten. Doch der pensionierte Kriminalhauptkommissar hat noch immer aufmerksame Augen und Ohren.
Als ein neues Schuhpaar den Raum betritt, blickt er auf. „Hallo, Sie sind Frau Jansen, kredo-Magazin“, deduziert er korrekt und bietet mir höflich einen Sitzplatz an. „Erzählen Sie mir doch erst noch einmal kurz, was Sie da jetzt genau machen.“ Bis 2013 war Heidefeld als Kriminalbeamter für die Polizei Krefeld tätig, mit 62 ging er, nach 44 Jahren Amtszeit, in Pension.

Egon Heidefeld hat vor 25 den Übergang vom Kriminalbeamten zum Galeristen eingeleitet – heute ist die Freude an der Kunst seine tägliche Begleiterin

Als alle Rahmeninformationen geklärt sind, wird aus dem aufmerksamen Zuhörer ein bedächtiger und stringenter Erzähler. Polizeiberuf und Kunsthandel – wie passt das zusammen? „Ich hätte noch ein Jahr machen können, aber ich wollte nicht mehr“, gibt Heidefeld mit einem Schmunzeln in den Augen zu. „Man braucht einen Ausgleich zu der Arbeit, die ich gemacht habe. Als Kriminalbeamter wird man schon früh mit schlimmen Dingen wie Kinderpornografie konfrontiert. Da kann man nicht abstumpfen. Nach Feierabend nicht mehr daran zu denken, ist eigentlich nicht möglich. Irgendwann denkt man über den Sinn des Lebens nach und sagt sich: Es muss noch etwas anderes geben.“ Während die meisten Kollegen sich durch sportliche Freizeitaktivitäten einen Ausgleich schaffen, beginnt Egon Heidefeld, sich aktiv seinem Interesse für moderne Kunst zu widmen und mit jungen Krefelder Kreativen in Kontakt zu treten. „Max Müller war ein ganz bekannter Krefelder Künstler und ein liebenswerter Mensch. Durch ihn bin ich damals auch zur Kunst gekommen“, erzählt Heidefeld mit seiner tiefen ruhigen Stimme und lächelt. „Wir haben angefangen, kleinere Ausstellungen zu organisieren, als dieser Raum hier noch ein Café war. Gegenüber wurden Räume frei, und so konnten wir uns dort bald als Galerie etablieren.“ Inzwischen füllt Heidefelds Sammlung inklusive wechselnder Ausstellungen fünf der zwölf Ladenlokale in der Seidengalerie.

Große Scheiben und Spiegelglas: Ein Museum in der Einkaufspassage
„Ich kann Sie ja mal ein bisschen rumführen, dann bekommen Sie einen Eindruck, womit ich mich beschäftige“, sagt Heidefeld und holt einen großen Schlüsselbund hervor. Wer noch nicht hier war, wird beim Gang durch die gläserne Passage überrascht sein – ob der Eleganz des Gebäudes ebenso wie von der Vielfalt farbenprächtiger Gemälde, aparter Skulpturen und auffälliger Installationen, die hinter den unzähligen Glasscheiben warten. Das von Klaus Reymann entworfene Gebäude mit seiner imposanten Naturstein-Aluminium-Fassade und dem edlen verspiegelten Glasgang wurde 1985 eröffnet. Als Egon Heidefeld knapp zehn Jahre später eines der Ladenlokale bezieht, findet sich seine kleine Sammlung zwischen Fachgeschäften und Boutiquen für Lederwaren, Pelze und Luxusteppiche. Nur letztere prägen bis heute weiterhin das Bild der Passage. Mit dem Teppichhaus Küstermann verbindet Egon Heidefeld eine enge und freundschaftliche Zusammenarbeit.


Über hundert Ausstellungen in 25 Jahren hat Heidefeld in seiner Galerie organisiert. Über die Zeit haben sich zu dem ersten kleinen Ausstellungsraum fünf weitere hinzugesellt

Kunstbegeistert und nah am Menschen
Anfangs fokussiert sich Egon Heidefeld besonders auf junge lokale Künstlerinnen und Künstler, denen er den Ausstellungsraum kostenlos zur Verfügung stellt. Statt eine Gebühr zu verlangen, wünscht sich der Kunstfreund Originalwerke für sein Privathaus. „Irgendwann waren die Wände voll“, schmunzelt er und beschreibt: „Das war ein schöner mentaler Ausgleich für mich. Weil man bei der Polizei ja fast ausschließlich mit der Randgesellschaft befasst ist, verliert man ganz schnell aus den Augen, dass es daneben noch andere Werte und Gruppierungen gibt. Deshalb ist es wichtig, sich neben Mord, Raub und Betrug, die einen tagtäglich beschäftigen, angenehme Dinge zu suchen, wodurch man sich austauschen und interessante Menschen kennenlernen kann.“
Und Menschen kennt Heidefeld. Zu beinahe jedem Namen, den man ihm nennt, kann der 67-Jährige eine Geschichte erzählen – seien es Kunstschaffende oder Krefelder Persönlichkeiten. Genauso wie zu jedem Bild, das in der gläsernen Passage hängt. Viele der hier ausgestellten Künstler begleiten den Galeristen bereits seit den ersten Jahren, zum Beispiel Clemens Pasch, der in diesem Jahr seinen 110. Geburtstag feiern würde. Besonders gern und viel spricht Heidefeld über den 2003 verstorbenen Künstler Herbert Zangs, der – vertreten mit zahlreichen Werken – noch heute eine Hauptrolle in der Galerie Heidefeld spielt. „Zangs hat mich zehn Jahre begleitet. Wir haben uns kennengelernt, da war ich ganz am Anfang. Ich hab‘ damals gar nicht gewusst, dass das so ein großer Künstler war – ich musste auch noch lernen“, erinnert er sich und blickt amüsiert eines der großformatigen verweißten Bilder an, in das dutzende Korken akkurat eingearbeitet sind. „Man munkelt, dass er den Wein selbst getrunken hat, um all diese Korken zu sammeln. Und er hat viel mit Korken gearbeitet.“ Seit langem gilt Heidefeld als ausgewiesener Zangs-Experte. Doch nicht nur „alten Bekannten“ bietet Heidefeld eine Plattform, sondern nach wie vor auch aufstrebenden Künstlern, deren Arbeiten den Kunstliebhaber begeistern. Grundsätzlich ist Heidefeld offen für Neues und Eigenwilliges – wie zum Beispiel die bald stattfindende Fotoausstellung „Spy Art Edition“ mit extravaganten Bildmontagen, die die Herzen vieler 007-Fans höherschlagen lassen werden.

Vom Blick für Straftäter zum „richtigen Riecher“ in Sachen Kunst
Egon Heidefelds Arbeitsalltag besteht inzwischen zu großen Teilen aus administrativen Tätigkeiten: aus Telefonaten, Recherchen, aber auch Reisen. Seine Kontakte reichen von halb Europa über die USA bis nach Südkorea und China. „Das ist ein schönes Netzwerk, gerade, wenn es um bedeutende Kunstwerke geht“, freut er sich. Seinen guten Kontakten hat er es auch zu verdanken, dass in seinen Räumlichkeiten bereits renommierte Künstler wie Georg Baselitz, Gerhard Richter, Salvador Dali, Sigmar Polke, A.R. Penck, Pablö Picasso, Günther Uecker und zahlreiche Vertreter der Klassischen Moderne ausgestellt werden konnten. Rund hundert Ausstellungen hat Heidefeld in den vergangenen 26 Jahren organisiert, dennoch wirkt er im Gespräch über seine Arbeit angenehm unprätentiös.
Statt sich mit großen Worten zu profilieren, berichtet er bescheiden, so dass seine Geschichten an ein erzähltes Sach- oder Geschichtsbuch denken lassen. In Anbetracht der langjährig antrainierten Beobachterrolle, die Heidefeld in seinem ursprünglichen Beruf eingenommen hat, verwundert das nicht.

Neben Ausstellungen in der eigenen Galerie organisiert Egon Heidefeld alle zwei Jahre eine große Werkschau auf dem Gelände der Baumschule Höfkes. Coronabedingt musste er sein Jahresprogramm umstricken. Für das Jahresende sind nach der aktuellen Ausstellung der Künstlerin Hedwig Katzenberger und der bereits erwähnten Schau des Fotokünstlers Ralf Schellen eine Jubiläums-Ausstellung zum 80. Geburtstag des Malers Conrad Sevens ab Ende Oktober und eine Präsentation von Skulpturen und Zeichnungen des Künstlers Clemens Pasch ab Ende November geplant. Seiner zweiten Profession wird Egon Heidefeld wohl noch eine ganze Weile nachgehen – denn bei aller Bescheidenheit sieht der Gesprächspartner immer wieder ein begeistertes Leuchten in den Augen des Krefelders aufblitzen, wenn es um dessen liebevoll gepflegten Konzepträume geht.

Galerie Heidefeld, Ostwall 64-66, 47798 Krefeld
www.galerie-heidefeld.de, www.artdate.info

Über den/die Autor/in: Esther Jansen

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Tags: , , , , 0 Kommentare on Egon Heidefeld – Vom Kriminalisten zum GaleristenVeröffentlicht am: 8. Oktober 2020Zuletzt bearbeitet: 16. Februar 20231310 WörterGesamte Aufrufe: 476Tägliche Aufrufe: 16,7 Minuten Lesezeit

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