Peter Day produziert unter dem Namen mühle 4 in der alten Kornmühle im St. Huberter Feld erlesene Gin-Variationen.

Es ist warm in der alten Kornmühle im St. Huberter Feld, es duftet nach Holz und Zitrusfrüchten. Eine Katze schleicht geräuschlos über den alten Dielenboden. Auf dem rustikalen Holztisch unweit der Eingangstür erinnert ein verlockendes Flaschenkonglomerat mit kolbenartigen Glasausgießern beinahe an ein altes Labor – eine nicht ganz falsche Assoziation. Aus einem kleinen Hahn an einem großen, metallenen Apparat rinnt still ein feiner, kristallklarer Strahl hochprozentigen Destillats in einen glänzenden Edelstahleimer. Es ist die Essenz von Peter Days – durchaus experimenteller – täglicher Arbeit. Und der Ursprung des zitronig-orangigen Aromas in der Luft. 

 Peter Day produziert unter dem Namen mühle 4 in der alten Kornmühle im St. Huberter Feld erlesene Gin-Variationen.

Das Rinnsal aus der großen Destillationsanlage, dessen Alkoholgehalt jetzt noch weit über der üblichen Trinkstärke liegt, wird Peter Day im nächsten Schritt zu Gin verdünnen, den der 57-Jährige in erstaunlich großen Mengen im ehemaligen Mehllager der Mühle produziert. Er selbst verkauft davon nur eine Variante – seinen „Attacke! Niederrhein Dry Gin“. Alle anderen Wacholdergeiste produziert der Destillateur als Lohnbrände für teils sehr bekannte und beliebte Marken, die einige unserer lesenden Gin-Freunde sicherlich in ihrer Hausbar wiederfinden würden. 

Als Peter Day die Wackertapp-Mühle vor einigen Jahren mit seiner Frau Käthe übernahm, um sie zum Wohn- und Arbeitshaus umzufunktionieren, war sie verwittert und stark wassergeschädigt. Heute ist von der einstigen Verwahrlosung des Gebäudes, das 1842 von den umliegenden Bauern als Gesellschaftsmühle gegründet wurde, dank der umfassenden Sanierungsarbeiten des Ehepaars nichts mehr zu sehen. Stattdessen sind die weiß verputzten, gebogenen Räume einladend, aufgeräumt und äußerst gemütlich. Days Destillate stehen, in schlichten Glasflaschen mit orangen und hellgelben Etiketten, ordentlich aufgereiht auf einfachen Holzregalen um den schweren Verkostungstisch, an dem regelmäßig Gäste zu Tastings Platz nehmen.

Bevor er sich beruflich dem Alkohol zuwandte, betrieb Peter Day eine Werbeagentur in der Mühle. Das Hochprozentige war ursprünglich nur ein Hobby des gebürtigen Weselers. „Und ich fand es spannend, dass das hier nicht so verwurzelt ist. Ich habe da eine echte Lücke gesehen. Deshalb habe ich mir das Brennen als neue Aufgabe genommen, als ich auf die Agenturarbeit keine Lust mehr hatte“, erzählt er. Was er heute kann und weiß – und das ist eine ganze Menge – hat Peter Day sich im intensiven Selbststudium erschlossen. Einen Kurs zu besuchen, um sich das nötige Know-how anzueignen, kam für den experimentierfreudigen Autodidakten nicht infrage. „Ich finde das so viel spannender. Zwar scheitere ich so auch mal an Sachen, aber ich scheitere lieber und lerne dadurch.“

Peter Days geistreiches Unternehmen, das er mit zwei Mitarbeitern seit 2017 betreibt, hat sich schnell etabliert. Was jedoch nicht heißt, dass der Geschäftsführer sich nun auf einem fertigen Produktportfolio ausruhen würde. „Mir macht besonders die Weiterentwicklung meiner Brände Spaß. Man hat immer wieder etwas Neues, an dem man sich messen kann“, erzählt er. Mehrere „Craft Spirits Awards“ geben ihm recht. Diese werden jährlich in Berlin von einer Fachjury aus Brennern, Sensorikern und Edelbrandsommeliers verliehen und prämieren ausschließlich handwerklich produzierte Spirituosen. Direkt im ersten Geschäftsjahr wurde einer von Days Bränden als „Craft Spirit of the Year“ ausgezeichnet.

Mission Obstbrand

Obwohl Gin rund 30 Prozent der mühle4-Erzeugnisse ausmacht, gilt Peter Days Leidenschaft den Obstbränden, die gerade beim jungen Publikum einen eher verstaubten Ruf genießen. Gin hingegen gilt als edel, hip und gar komplex. Eine absolute Fehleinschätzung, wie Peter Day erklärt: „Obstbrände sind deutlich komplizierter als Gin. Die Früchte müssen je nach Sorte ganz unterschiedlich behandelt werden.“ Er bemühe sich, viel regionales Obst zu verwenden. „Hier aus der Gegend kommen Birne, Apfel, Zwetschge und Quitte. Die Quitte ist eine Frucht, die viele im Garten haben, aber sie wissen nicht wirklich, was sie damit anfangen sollen. Deshalb kriegen wir die hier tatsächlich oft vorbeigebracht – letztes Jahr hatten wir aus sämtlichen Gärten ringsherum 1,2 Tonnen“, erzählt Day. Sofern ihm die Früchte nicht vor die Tür gestellt werden, besuche er Streuobstwiesen, um sich mögliche neue Sorten anzuschauen, oder hole sich Tipps von Bauern und Obstgartenbesitzern. „Da lernt man auch immer mal was Neues kennen. Deshalb haben wir neben den ‚Klassikern‘ auch Dinge wie Berlepsch, Sternrenette oder unseren ‚Klarapfel‘ im Portfolio.“ 

 Peter Day produziert unter dem Namen mühle 4 in der alten Kornmühle im St. Huberter Feld erlesene Gin-Variationen wie "Attacke".
Neben seinem eigenen „Attacke! Niederrhein Dry Gin“ destilliert Peter Day als Lohnbrenner für viele – teils ziemlich bekannte – Marken und Agenturen wie Linden No. 4.

Manche seiner Brände verfeinert Day – wie auch bei Whiskys üblich – durch Fasslagerung. Durch derlei Experimente entstehen besondere Köstlichkeiten wie die „Alte Kirsche“ – ein „Zigarrenbrand“, wie Peter Day ihn nennt, weil er beim Trinken sofort Assoziationen von gemütlichen Ledersesseln, Holzfeuer und Tabak auslöst. Das dunkelbernsteinfarbene Destillat schmeckt holzig und malzig – es ist Honig zu erkennen, die eher dezente Frucht erinnert an getrocknete Kirschen. Ein wirklich besonderes Trink-Erlebnis, das Day behutsam in die eleganten Nosing-Gläser füllt.

Die Holzdielen knarren, der Destillator rauscht leise und man würde sich eigentlich gerne noch durch einige weitere der vielen Flaschen probieren – wäre man nicht mit dem Auto gekommen. Hier liegt das einzige Manko der verwunschenen alten Mühle und ihres verlockenden Inhalts: ihre Abgeschiedenheit. Wer zu einem Tasting anreist, sollte also am besten eine Rückfahrt im Taxi einplanen – aber die kann man sich ja glücklicherweise mit seinen Freunden teilen…


mühle 4
An der Mühle 4, 47906 Kempen
Telefon: 02152 957300 
Mail: kontakt@muehle4.de

www.muehle4.de

Über den/die Autor/in: Esther Jansen

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Tags: , , , , , 0 Kommentare on mühle 4 – Geistreiches aus KempenVeröffentlicht am: 28. Januar 2022Zuletzt bearbeitet: 16. Februar 2023919 WörterGesamte Aufrufe: 659Tägliche Aufrufe: 14,8 Minuten Lesezeit

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